23.3.2024
Die Sotapanna-Stufe kann auf verschiedene Weise angegangen werden. In diesem Abschnitt wird ein neuer Ansatz zum Verständnis von Saññā beschrieben (Wahrnehmung). Wenn ein durchschnittlicher Mensch einen Sinneseindruck empfängt, startet sein Geist mit „verzerrter Saññā“ und gelangt dann sofort zu „verunreinigter Saññā“ . Der Geist eines Arahants startet ebenfalls mit „verzerrter Saññā“, gelangt aber nicht zu „verunreinigter Saññā“.
Erforderlicher Hintergrund
1. Dieser Text soll einem Puthujjano helfen, die Sotapanna-Stufe zu erreichen. Darüber hinaus ist dieses Material WICHTIG für einen Sotapanna, um die höheren Stufen von Nibbāna zu realisieren. Das wird in den kommenden Texten deutlicher.
- Diese Diskussion basiert auf dem Konzept des „verborgenen reinen Geistes“(pabhassara citta), siehe Texte unter Wiederentdeckung des leidfreien reinen Geistes.
„Verzerrte Saññā“ lässt uns an bestimmten Sinneseindrücken anhaften
2. Der Buddha lehrte uns, dass die Grundursache allen Leidens (ob in diesem Leben oder in zukünftigen Leben) unsere Neigung ist, an weltlichen Dingen anzuhaften. Warum haben wir instinktive „Gefühle der Freude“(somanassa vedanā), wenn wir an „geistig angenehme Dinge“ wie leckeres Essen oder schöne Landschaften denken? Gibt es in diesem Essen oder in der Landschaft etwas, was uns glücklich macht (etwas „an sich Wertvolles“)? Wenn ja, sollte es universell gültig sein, d. h. jedes Lebewesen sollte das gleiche „Glücksgefühl“ beim Genuss desselben Essens oder beim Anblick desselben Objekts empfinden. Wie wir weiter unten sehen werden, ist das nicht der Fall.
- Solche „Glücksgefühle“(somanassa vedanā), basieren auf einer bestimmten Saññā (frei übersetzt als Wahrnehmung), die mit der menschlichen Natur bzw. dem Menschenreich verbunden ist. Diese Saññā ist nicht absolut, sondern wird vom an den physischen Körper gebundenen Geist erschaffen. Da ein lebender Arahant auch in der Menschenwelt lebt, hat er auch solche Saññā. Zum Beispiel würde einem Arahant eine gute Mahlzeit auch gut schmecken oder eine attraktive Frau als solche erscheinen, d.h. es entstehen ähnliche Saññā wie bei jedem anderen Menschen.
- Da sie jedoch den Ursprung dieser verzerrten Saññā vollständig verstanden haben, erzeugen Arahants keine „Gefühle der Freude“ (somanassa vedanā), auch wenn sie verzerrte Saññā erleben. Ihr Geist wird nicht anhaften.
- Dennoch kann es unter den Menschen (geringfügige) Abweichungen bzgl. Saññā geben. Wir wissen bspw., dass verschiedene Menschen verschiedene Arten von Lebensmitteln bevorzugen. Manche entwickeln auch Allergien, wenn sie bestimmte Speisen essen, während andere diese problemlos verzehren können. Dies ist auf geringfügige Variationen von Gati zurückzuführen, wie unten beschrieben.
- Das Pāli-Wort „saññā“ wird normalerweise mit „Wahrnehmung“ übersetzt. Aber es vermittelt viel mehr als das.
Saññā ist mehr als „Wahrnehmung“
3. Saññā ist ein besonderes Wort, was für die Charakterisierung des Geisteszustandes eines Lebewesens sehr bedeutsam ist. Jedes Lebewesen (vom Brahma bis hinunter zu mikroskopisch kleinen Tieren oder Höllenwesen) erzeugt vedanā, saññā, saṅkhāra, viññāṇa, wenn Sinnesreize „aufgenommen“ werden. Diese fünf Entitäten beschreiben den geistigen Zustand, der auf Grundlage von Sinnesreizen entsteht; sie sind pañcakkhandha (fünf Aggregate), die sich automatisch in pañcupādānakkhandha verwandeln, basierend auf der „verzerrten Saññā„.
- In dieser Serie werden wir uns auf Saññā konzentrieren, um zu veranschaulichen, wie pañcakkhandha automatisch zu pañcupādānakkhandha wird, basierend auf der „verzerrten Saññā„, auch wenn man diesen Sinneseindrücken nicht folgt. Der Mensch hat immer eine „verzerrte Saññā„, die sich in „verunreinigte Saññā“ verwandeln kann, basierend auf dem jeweiligen Sinneseindruck (nimitta wird zu ārammaṇa).
Jedes Bhava beginnt auf der Dhātu-Stufe mit eigener Saññā
4. Wenn der Geist Sinneseindrücke empfängt, „fällt“ er zunächst auf die entsprechende Dhātu-Stufe, bevor er in das entsprechende Bhava eintritt.
- Zum Beispiel wird ein Mensch beim Hören eines Geräusches auf „kāma dhātu“ mit der entsprechenden „kāma saññā“ beginnen. Der Geist eines rupāvacara Brahma beginnt auf „rupa dhātu“ mit „rupa saññā“ (hier bezieht sich „rupa“ auf „rupa loka„).
- Dort schließt „kāma saññā“ frühere Erfahrungen mit allen sechs Sinnen ein. „Rupa saññā“ für den rupāvacara Brahma umfasst frühere Erfahrungen mit nur drei Sinnen (cakkhu, sota, mano). Nehmen wir zum Beispiel an, der Klang ist die attraktive Stimme einer Frau. Das könnte bei einem Menschen automatisch „kāma raga“ auslösen. Rupāvacara Brahmās haben jedoch nicht zwei Geschlechter, männlich und weiblich. Daher kann „kāma raga„, was auf „kāma saññā“ basiert, nicht in einem rupāvacara Brahma entstehen. Dies ist ein entscheidender Punkt, den es zu verstehen gilt.
- Einmal auf „kāma dhātu„-Stufe, muss ein Geist eine automatische abhisaṅkhāra-Erzeugung betreiben (basierend auf anusaya/saṁyojana/gati), um zu „kāma bhava“ zu gelangen. Das ist der Grund, warum der Geist eines Arahants nicht zu „kāma bhava“ gelangt. Das wird im Text Upaya und Upādāna – Zwei Stufen der Anhaftung erklärt.
Jeder unterhalb der Arahant-Stufe hat „unreine Saññā“
5. Saññā hat eine Vielzahl von Bedeutungen. Auf der grundlegenden Ebene ist es das „Erkennen“ eines bestimmten Objekts mit einer bestimmten Farbe, groß/klein, Klang aus einer bestimmten Quelle, verschiedenen Geschmäckern, verschiedenen Formen usw. Dann werden sie als schön/hässlich, geschmackvoll/geschmacklos usw. eingestuft. Daher beinhaltet das „Erkennen“ Vorlieben/Abneigungen für solche Sinneserfahrungen. Das ist ein tieferer Aspekt von „saññā„.
- Die rupāvacara Brahma (in rupaloka) erzeugen keine Saññā für Geschmack, Geruch, Berührung. Sie verfügen einfach nicht über die passenden Sinnesorgane Zunge/Nase/dichter physischer Körper. Ihre subtilen Körper haben auch nicht die entsprechenden Pasāda Rupa(jivhā/ghāna/kāya). Daher können sie weder rasa saññā (Geschmack), gandha saññā (Geruch), noch phottabba saññā (Berührung) erzeugen.
- Die arupāvacara Brahmā (in arupaloka) können auch keine Rupa Saññā (für Sichtbares) und Sadda Saññā (für Hörbares) erzeugen. Sie haben nur Manindriya und können damit denken. Da sie arupa dathu leben, haben sie kein Konzept über Sichtbares, Hörbares usw.; ihr Denken ist gewissermaßen begrenzt. Deshalb empfinden sie auch viel weniger Stress! Ihr Geist ist hauptsächlich auf ākāsa (Raum) und viññāṇa (Bewusstsein) ausgerichtet. Aber sie haben auch „verunreinigte Saññā“ über ākāsa und viññāṇa.
- Schauen wir nun auf die 11 Reiche in Kāmaloka. Hier hat man alle sechs Sinne. Die Devā in den sechs Deva-Reichen haben jedoch subtile (weniger dichte) Körper, und daher sind ihre Wahrnehmungen über Geschmack, Geruch und Berührung subtil; insbesondere sind ihre physischen Körper nicht dicht genug (olarika), um physisches Leiden aufgrund von Verletzungen, Krankheit usw. zu erfahren (ebenso Sinnesfreuden wie Geschmack, oder Sex in der Art, wie es Menschen erleben). Im Menschenreich sind diese Kontakte olarika oder „dicht/grob“.
Hina, Majjhima, Panita Dhātu verbunden mit Kama, Rupa und Arupa Loka
6. In Kamaloka (basierend auf kāma dhātu) kann man alle sechs Arten von Sinneseindrücken erfahren. Es ist hier möglich, mehr Verunreinigungen zu erzeugen und wird deshalb „hīna oder minderwertiges Dhātu“ genannt. Im arupa Dhātu (und arupaloka) erfahren die Brahma nur Mano-Kontakte und es wird „paṇīta oder höheres Dhātu“ genannt. Rupa Dhātu (rupaloka) befindet sich in der Mitte und ist somit „majjhima oder mittleres Dhātu.“
- Die drei Arten von dhātu (hīnāya dhātuyā, majjhimāya dhātuyā, paṇītāya dhātuyā) werden in der Paṭhamabhava Sutta (AN 3.76) betrachtet.
- Nibbāna ist frei von allen drei Arten von loka und ist somit das „beste Dhātu.“ Es wird asaṅkhata Dhātu genannt, weil es nicht dadurch erreicht wird, dass man „etwas via Saṅkhāra aufbaut“, sondern vielmehr dadurch, dass man alle Arten von Saṅkhāra stoppt und die Bildung jeglicher Bhava oder Loka stoppt. Nibbāna wird durch die Beseitigung von raga, dosa und moha erreicht, indem man sich nicht an Saññā bindet: Asaṅkhata Sutta (SN 43.12).
Saññā – Verbindung zu Gati
7. Es gibt fünf Hauptkategorien von Gati, wie in der Gati Sutta (AN 9.68) genannt: Nirayo, tiracchānayoni, pettivisayo, manussā, devā.
- In den Apāyā haben die Wesen nirayo, tiracchāna oder peta gati. Menschen haben manussa gati. Diese vier primären Gati decken nur die untersten fünf Reiche ab.
- Alle Wesen in den höheren 26 Reichen (einschließlich der sechs Deva-Reiche in Kāmaloka) haben Deva Gati. Selbst die Devā in Kāmaloka erzeugen keinen Ärger/Hass. Sie haben nur „gutes und moralisches Gati„.
- In den Apāyās wird man aufgrund „unmoralischer Gati“ geboren.
- Das Menschenreich liegt zwischen diesen beiden Kategorien. Der Mensch kann sowohl moralisches als auch unmoralisches Gati haben.
8. Innerhalb dieser fünf Hauptkategorien kann es Unterkategorien geben. Insbesondere das Menschenreich und das Tierreich decken einen weiten Bereich möglicher Gati ab. Zum Beispiel haben verschiedene Tierarten unterschiedliche Gati, und ihre Gewohnheiten und Anhaftungen hängen davon ab.
- Manche Tiere fressen kein Fleisch (Rehe, Kühe usw.), andere sind auf Fleisch angewiesen (Löwen, Tiger usw.).
- Während also eine Kuh beim Fressen von Gras „glücklich“ ist, wäre ein Löwe nicht zufrieden damit! Sie erzeugen sehr unterschiedliche Saññā beim Anblick von Gras.
Kāma Dhātu (mit „verzerrter Saññā“), verbunden mit dem eigenen Uppatti Bhavaṅga
9. Kāma Dhātu erzeugt automatisch eine verzerrte Saññā, die auf dem Uppatti Bhavaṅga des Lebewesens basiert. Daher wird ein Arahant wie ein Puthujjano diese anfängliche „verzerrte Saññā“ haben.
- Der Buddha beschrieb „Saññā“ als Fata Morgana und Viññāṇa als Zauberer in der Pheṇapiṇḍūpama Sutta (SN 22.95). Um die Übersetzung dort (korrekt) zu zitieren: „Nehmen wir an, dass im letzten Monat des Sommers zur Mittagszeit eine schimmernde Fata Morgana erscheint. Und eine Person mit klaren Augen würde sie sehen und betrachten und sie sorgfältig untersuchen. Und sie würde ihm als völlig leer, hohl und substanzlos erscheinen. Denn welche Substanz könnte in einer Fata Morgana stecken?„
- Selbst wenn die Person durstig wäre, würde sie also nicht auf die Fata Morgana zulaufen und hoffen, Wasser zu finden.
- Ein Tier hingegen ist nicht in der Lage zu erkennen, dass es sich um eine Fata Morgana handelt, und wird ihr daher nachlaufen und vor Erschöpfung verdursten.
Nur ein Buddha kann die „verzerrte Saññā“ entdecken
10. Solange kein Buddha in diese Welt kommt und die wahre Natur von Saññā erklärt, sind normale Menschen nicht in der Lage das herauszufinden.
- Wir würden nicht in einer Million Jahre auf die Idee kommen, dass die „verlockenden Dinge“ in dieser Welt „nicht real“ sind und vom Geist „gemacht“ werden!
- Es ist von entscheidender Bedeutung zu verstehen, dass ALLES über die 6 Sinne Erkennbare in dieser Welt keine anziehende oder abstoßende Natur hat. Der physische Körper entsteht, um Saññā entsprechend dem Gati zu generieren (für Menschen „manussa gati„).
- Auf der anderen Seite erzeugen Tiere im Vergleich zu Menschen deutlich unterschiedliche Saññā. Auch wenn uns der Anblick oder Geruch von verdorbenem Fleisch oder Fäkalien abstößt, erzeugt ein Schwein für das selbe Objekt eine ganz andere Saññā. Während also ein Mensch abstoßende Gedanken entwickelt, wird ein Schwein fröhlich und fühlt sich von solchen Dingen angezogen.
- Solche Unterschiede sind auch innerhalb des Tierreichs zu beobachten. Kühe fressen Gras, Löwen fressen Fleisch, und manche Insekten fressen Holz. Sie erzeugen nicht nur die für sie passende Saññā, auch ihre Körper werden durch kammische Energie geformt, um ihnen Nahrung zu geben! Dies ist ein faszinierendes Thema zur Kontemplation.
Warum sollte ein Arahant „verzerrteSaññā“ haben?
11. Dies ist Ergebnis der Geburt mit „physischem Körper“, also Vipāka. Bis zum Tod des Körpers muss der Arahant leben und die Welt weiter ertragen.
- Der physische Körper ist aufgrund eines Kamma Vipāka entstanden. Er wird entsprechend dem Menschen-Dhatu die „verzerrte Saññā“ erzeugen. Der Vipāka-Körper bestimmt so manche Fähigkeit, Krankheit, Verhaltensweise usw., woraus sich das weitere Leben der Person entwickelt.