Vitakka, Vicāra, Savitakka, Savicāra, Avitakka, Avicāra

Einführung

1. Es ist wichtig, die Bedeutungen von vitakka/vicāra, savitakka/savicāra und avitakka/avicāra zu verstehen. Sutta-Übersetzungen sind häufig falsch. Insbesondere savitakka und savicāra werden häufig fälschlicherweise mit vitakka und vicāra gleichgesetzt.

  • Wie immer muss man mit den Grundlagen beginnen und dann überprüfen, ob die Bedeutungen der Verse in tieferen Suttās mit Hilfe dieser Definitionen herauszufinden sind. Im Tipiṭaka funktioniert diese Methode immer.
  • Mögliche Ungereimtheiten können entstehen, wenn man versucht, Suttās mit späten Kommentaren wie dem Visuddhimagga in Einklang zu bringen.

Was sind Vitakka und Vicāra?

2. Für die Wörter takka, vitakka, vicāra (තර්ක, විතර්ක, විචාර auf Singhalesisch) könnten die nächstliegenden deutschen Bedeutungen sein: „in eine Richtung denken“, „tiefer/gegensätzlich analysieren“, „eingehend untersuchen“.

  • Es ist das bewusste Denken über ein Gedankenobjekt (ārammana). Man spricht entweder im Stillen „zu sich selbst“ oder man spricht laut, während man die Situation im Geist analysiert.
  • Eine Erklärung findet sich im Abhidhamma, in der Diskussion über kāma dhātu, byāpāda dhātu, vihiṃsā dhātu, nekkhamma dhātu, abyāpāda dhātu, avihiṃsā dhātu, im Abschnitt Dhātuvibhaṅga :

Tattha katamā kāmadhātu? Kāmapaṭi­saṃ­yutto takko vitakko saṅkappo appanā byappanā cetaso abhiniropanā micchāsaṅkappo—ayaṃ vuccati kāmadhātu„.
Übersetzt: „Was ist das kāma-Element (Genuss)? Takka, vitakka, saṅkappa, appanā, byappanā („dort verbleibend“, was vicāra meint), was dazu führt, falsche Sichtweisen zu etablieren. Das ist das Genuss-Element“. Wenn man also wiederholt solche Gedanken erzeugt, baut man Kāmarāga auf.

3. Das entgegengesetzte Element nekkhamma wird so definiert: „Tattha katamā nekkhammadhātu? Nekkham­ma­paṭi­saṃ­yutto takko vitakko,saṅkappa, … pe … sammā saṅkappo—ayaṃ vuccati “nekkhamma dhātu„.

Übersetzt: „Was ist das Element der Entsagung? Takka, vitakka, saṅkappa, appanā, byappanā, was zur Etablierung richtiger Sichtweisen führt. Das ist das Element der Entsagung“. Wenn man wiederholt solche Gedanken erzeugt, wird Kāmarāga vermindert.
Ähnliches gilt für byāpāda dhātu, vihiṃsā dhātu, und die Gegensätze abyāpāda dhātu, avihiṃsā dhātu.

Vaci Sankhāra sind Saṅkappa (bewusste Gedanken)

Vaci Saṅkhāra und Saṅkappa meinen das gleiche (wie in sammā saṅkappa).

4. Kāma (abhijjā) saṅkappa, byāpāda (vyāpāda) saṅkappa, vihiṃsā saṅkappa sind alles „schlechte“ Vaci Saṅkhāra. Sie sind mit Gier, Hass und Unwissenheit assoziiert.

  • Ihre Gegensätze sind Sammā Saṅkappa: nekkhamma, abyāpāda, avihiṃsā saṅkappa.
  • Auf dem edlen Pfad kommt Sammā Saṅkappa nach Sammā Diṭṭhi.

5. Die Cūḷavedalla Sutta (MN 44) definiert: „… vitakka vicārā vacī saṅkhāro“ bzw. „vacī saṅkhāra sind vitakka vicārā„.

  • Vaci Saṅkhāra sind „bewusste Gedanken, die wir im Stillen tun“ und auch jene Gedanken, die zu hörbarem Sprechen führen. Das Nachdenken über ein Dhamma-Konzept ist punnābhi vaci saṅkhāra.

Vitakka und Vicārā sind Saṅkappa

6. Eine weitere wichtige Sutta ist die Mahācattārīsaka Sutta (MN 117):

Katamo ca, bhikkhave, sammāsaṅkappo ariyo anāsavo lokuttaro maggaṅgo? Yo kho, bhikkhave, ariyacittāsa anāsa­va­cittāsa ariya­magga­samaṅ­gino ariyamaggaṃ bhāvayato takko vitakko saṅkappo appanā byappanā cetaso abhiniropanā vacīsaṅkhāro—ayaṃ, bhikkhave, sammāsaṅkappo ariyo anāsavo lokuttaro maggaṅgo..“

Übersetzt: „Und was, Bhikkhus, ist Sammā Saṅkappa, was edel ist, ohne āsava, überweltlich, ein Faktor des edlen Pfades? Das sind edle Gedanken (ariyacittāsa), die frei von Verlangen sind (anāsavacittāsa), zum edlen Pfad gehören (ariyamaggasamaṅgino ariyamaggaṃ bhāvayato) mit takko vitakko saṅkappo appanā byappanā cetaso abhiniropanā vacī saṅkhāro: Das ist Sammā Saṅkappa, was edel ist, ohne āsava, überweltlich, ein Faktor des edlen Pfades“.

Vitakka steht meist für „schlechte Saṅkappa“

7. Akusala Vitakka Sutta (SN 9.11) liefert ein Beispiel: „Tena kho pana samayena so bhikkhu divāvihārāgato pāpake akusale vitakke vitakketi, seyyathidaṃ—kāma vitakkaṃ, ­byāpā­da­ vitak­kaṃ, vihiṃ­sā­ vitak­kaṃ„.

  • Übersetzt: „Jener Bhikkhu beschäftigte sich damit, während seiner Ruhezeit höchst unmoralische (pāpa) und akusala Vitakka zu erzeugen – sie waren sinnlich, mit bösem Willen und grausamen Gedanken.“
  • Ein anderer Vers der gleichen Sutta: „Ayoniso manasikārā, so vitakkehi khajjasi..“ bzw. „mit der falschen Geisteshaltung (ayoniso manasikara), ist er mit solch unreinen Gedanken belastet“.

8. Prägnante Erklärungen finden sich auch in der Vitakka Sutta (SN 56.7).

Der Grundgedanke der gesamten Sutta ist folgender:

  • Bhikkhus, beschäftigt euch nicht mit üblen unheilsamen Gedanken, die da sind: sinnliche Gedanken, Gedanken schlechten Willens, Gedanken zum Schaden anderer (pāpake akusale vitakke vitakkeyyātha, seyyathidaṃ— kāma vitakkaṃ, ­byāpā­da­ vitak­kaṃ, vihiṃ­sā­ vitak­kaṃ).
  • Aus welchem Grund? Diese Gedanken, Bhikkhus, sind ohne echte Substanz (Nete, bhikkhave, vitakkā atthasaṃhitā), irrelevant für die Grundlagen des heiligen Lebens, und führen nicht zur Flucht aus der Sinneswelt, zur Leidenschaftslosigkeit, zur Beendigung, zum Frieden, zum direkten Wissen, zur Erleuchtung, zu Nibbāna. Wenn euer Geist mit solchen Gedanken beginnt, Bhikkhus, solltet ihr denken: ‚Das wird zu Leiden führen‘.
  • Stattdessen solltet ihr denken: ‚Dies sind die Ursachen des Leidens‘; ihr solltet denken: ‚Der Weg zum Ende des Leidens ist die Kultivierung von Gedanken der Entsagung und des Mitgefühls‘; Solche Gedanken führen zur Flucht aus der Sinneswelt, zur Leidenschaftslosigkeit, zur Beendigung, zum Frieden, zum direkten Wissen, zur Erleuchtung, zu Nibbāna“.

Vitakka/Vicāra und Savitakka/Savicāra

9. In vielen Fällen bezeichnen die Worte vitakka und vicāra speziell „schlechte Gedanken“ bzw. unreine Gedanken.

  • In einigen Fällen sind auch alle Arten von Gedanken, ob gut oder schlecht, gemeint.
  • Daher muss man aus dem Kontext die Bedeutung erkennen. Die obigen Beispiele veranschaulichen diesen Punkt.

10. Wenn man Gedanken erzeugt, die ausdrücklich nicht Kāmarāga oder andere Akusala beinhalten – sondern die Gegensätze (nekkhamma/kusala) – so werden diese savitakka und savicāra genannt.

  • So gelangt man zu Jhānas: Durch Eliminierung (oder Unterdrückung) von vitakka/vicāra und Kultivierung von savitakka/savicāra.

11. Das kann man in den Suttas sehen, die Jhānas beschreiben; z.B. in Tapussa Sutta (AN 9.41): „.So kho ahaṃ, ānanda, vivicceva kāmehi vivicca akusalehi dhammehi savitakkaṃ savicāraṃ vivekajaṃ pītisukhaṃ paṭhamaṃ jhānaṃ upasampajja viharāmi.“

  • Übersetzt: „Ananda, wenn man sich von vitakka/vicāra mit Kāmarāga und Akusala fernhält und savitakka/savicāra kultiviert, wird man zum ersten Jhāna gelangen.“

Avitakka/Avicāra

12. Das Fehlen jeglicher „schlechter Gedanken“ wird durch avitakka, avicāra angezeigt. In diesem Fall würde man nur savitakka, savicāra haben (gute Gedanken).

  • Dies geschieht im zweiten Jhāna, wo nur savitakka/savicāra bleibt.
    Deshalb ist es wichtig zu erkennen, dass avitakka/avicāra NICHT „ohne Gedanken“ bedeutet. Es bedeutet nur die Abwesenheit von schlechten Gedanken.

13. Das wird deutlich am Ende der Upakkilesa Suatta (MN 128): “ ..So kho ahaṃ, anuruddhā, savitakkampi savicāraṃ samādhiṃ bhāvesiṃ, avitakkampi vicāramattaṃ samādhiṃ bhāvesiṃ, avitakkampi avicāraṃ samādhiṃ bhāvesiṃ, sappītikampi samādhiṃ bhāvesiṃ, nippītikampi samādhiṃ bhāvesiṃ, sāta­saha­gatampi samādhiṃ bhāvesiṃ, upekkhā­saha­gatampi samādhiṃ bhāvesiṃ..“

  • Übersetzt: „Anuruddha, ich kultivierte systematisch folgende Samādhi in dieser Reihenfolge. Savitakka savicāra samādhi, avitakka vicāramattaṃ samādhi (Abwesenheit von vitakka, noch mit einer Spur von vicāra), avitakka avicāra samādhi (Abwesenheit von vitakka und vicāra), sappītikampi samādhi (mit piti bzw. Freude), nippītikampi samādhi (Abwesenheit von piti), sātasahagatampi samādhi (mit nur noch sukha), und upekkhāsahagata samādhi (sukha ebenfalls entfernt, um in upekkha zu sein)“.
  • Was der Buddha oben beschreibt, ist das Erreichen des ersten Jhāna mit savitakka savicāra, und dann das zweite Jhāna mit der Abwesenheit von vitakka und vicāra (mit piti und sukha), das dritte Jhāna mit nur sukha (Freude entfernt), und das vierte Jhāna (mit nur noch mit upekkha).
  • Für eine Beschreibung von Ariya Jhāna, mit den Jhānānga immer weiter beseitigt, siehe zum Beispiel Rahogata Sutta (SN 36.11).

Zusammenfassung

14. Sankhāra sind von verschiedener Art. Daher ist es notwendig, eine Vorstellung davon zu bekommen, wie man diese grundlegenden Definitionen von vitakka/vicāra, savitakka/savicāra, avitakka/avicāra in Bezug auf verschiedene Arten von Saṅkhāra verwendet: punnābhisaṅkhāra, apunnābhisaṅkhāra, anenjābhisaṅkhāra.

15. Schließlich wird in der Savitakkasavicara Sutta (SN 43.3) klar gesagt, dass Nibbāna (asaṅkhatagāmi maggo) über die folgende Sequenz erreicht wird.

Katamo ca, bhikkhave, asaṅ­kha­ta­gāmi­maggo? Savitak­ka­savi­cāro samādhi, avitak­ka­vicāra­matto samādhi, avitak­ka­avi­cāro samādhi—ayaṃ vuccati, bhikkhave, asaṅ­kha­ta­gāmi­maggo.

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