1. Anicca ist ein tiefgehendes Konzept, was auf viele Arten verstanden werden kann. Die übliche Übersetzung als „Unbeständigkeit“ ist nur ein kleiner Teil davon. Siehe Anicca – Unfähigkeit, irgendetwas zu erhalten.
- Eine andere Interpretation: Was auch immer wir als dauerhaftes Glück ansehen, es entsteht und vergeht, wobei es unvorhersehbaren Veränderungen unterliegt (viparināma), solange es besteht. Siehe Anicca – Wiederholtes Entstehen und Vergehen.
- Hier betrachten wir eine andere Bedeutung: Es gibt nichts auf dieser Welt, was wirklich wertvoll ist und dauerhaftes Glück bringt. Mehr Verlangen bringt auch mehr Leiden!
2. Der Wunsch bzw. das Verlangen (icca) nach Objekten dieser Welt hängt vom Wert ab, den man diesem Objekt gibt. Es ist eine Entscheidung im Geist, also nichts, was einem Objekt innewohnt. Wenn man sich darüber im Klaren ist, dass ein Objekt wirklich keinen signifikanten Wert hat, hat man kein Verlangen nach diesem Objekt.
- Man hat iccā für ein Objekt, wenn man annimmt, dass es von Nicca-Natur ist, d.h. man denkt, es hat einen Wert und man kann Glück damit gewinnen.
- Wenn man erkennt, dass ein Objekt keinen wahren Wert hat, verliert man das Verlangen danach und sieht die Anicca-Natur dieses Objekts.
3. Angenommen, Sie stellen einen 5-Jährigen vor die Wahl: eine große Tafel Schokolade oder das Anrecht auf ein brandneuen Haus in toller Lage.
- Was wird das Kind wählen? Natürlich wird es die Schokolade bevorzugen und nicht ein Stück Papier! Somit hat das Kind nicca sanna für Schokolade, d.h. es glaubt, die Schokolade bringe Glück. Hingegen kann es kein Glück in dem Besitz eines Hauses erkennen.
- Wenn dasselbe Kind jedoch erwachsen wird, wählt es ohne zu zögern das Anrecht auf ein brandneues Haus. Zu diesem Zeitpunkt wäre ihm/ihr klar, dass ein Haus viel wertvoller ist als eine Tafel Schokolade. Der Erwachsene kann die Anicca-Natur der Schokolade erkennen: Sie kann nur für ein paar Minuten Glück bringen!
- Muss jemand diesem Erwachsenen sagen, dass das Anrecht auf das Haus viel mehr wert ist als eine Tafel Schokolade? Nein, denn das lernt man mit der Zeit, während man aufwächst und mehr über die Welt wahrnimmt.
- Mit dem Lernen von Buddha Dhamma erkennt man automatisch, dass nichts in dieser Welt echten Wert hat. Aber diese Erkenntnis kommt allmählich.
4. Alle unmoralischen Taten (dasa akusala) tut man aufgrund eines wahrgenommenen „Wertes“, den man weltlichen Dingen beimisst. Für ein Kind mag das eine Tafel Schokolade sein. Ein Erwachsener lügt, stiehlt oder tötet vielleicht bereitwillig, um in den Besitz eines Hauses zu kommen.
- Wenn man die Schlüsselbotschaft des Buddha versteht (anicca), wird man erkennen, dass es sich nicht lohnt, selbst nach einem schönen Haus zu verlangen, verglichen mit der „Abkühlung“, die man durch die Beseitigung des Verlangens erzielen kann. Natürlich muss man deshalb nicht aus einem schönen Haus ausziehen, falls man schon eins hat.
- Man würde erkennen, dass das Ansammeln von „Wertsachen“ wie Häuser, Autos, Beziehungen, Schönheit, Vermögen am Ende nur Leid bringen kann. Darüberhinaus verliert man wertvolle Zeit, die man für den Fortschritt in Richtung Nibbāna braucht.
5. Das Verlangen nach Sinnesfreuden kann in weiten Bereichen schlechte Folgen haben. Wenn man auf einer niedrigen Ebene nur Sinnesfreuden genießt, ohne anderen zu schaden, bleibt man an Kāma Lōka gebunden (über Paticcā Samuppada oder „was man mag, bekommt man in ähnlicher Weise“).
- Wenn man jedoch unmoralische Taten tut (dasa akusala), um solche „Wertsachen“ zu gewinnen, wird man in zukünftigen Leben Dukkha Dukkha (direktes Leiden) in den Apāya ausgesetzt sein. Siehe Einführung 2 – Die drei Merkmale der Natur. Dies ist die schlimmste Art des zukünftigen Leidens. Das kann man nicht verstehen, wenn man nicht an Wiedergeburt und Kammā Vipāka glaubt, d.h. wenn man Miccā Ditthi hat.
- Sobald man sich von Miccā Ditthi befreit, wird es einfacher, einen Aspekt der Anicca-Natur zu erfassen: anicca khayattena bzw. die Anicca-Natur führt auf den Abwärtspfad, denn man wird verleitet zu unmoralischen Taten und das bringt am Ende unvorstellbares Leiden (Dukkha Dukkha) in den Apāya.
- Anicca-Natur bedeutet also nicht nur, dass man die Dinge auf lange Sicht nicht zur Zufriedenheit erhalten kann, sondern auch, dass in der Zukunft viel Leiden wartet.
6. Grundsätzlich kann man die Sōtapanna-Stufe erreichen, indem man die oben genannten harten Konsequenzen der Anicca-Natur begreift.
- Buddha sagte auch, „dukkham bhayattena“ bzw. „man sollte Angst vor der Dukkha-Natur haben“. Dukkha kann man auch als Gefahr deuten, denn Dukkha ist unvermeidlich, wenn man in Sansara bleibt. Auf der Sōtapanna-Stufe erkennt man, dass die Anicca-Natur direkt zu Leiden (Dukha) in den Apāya führt. Aber möglicherweise erkennt man nicht, dass es auch viel Leiden in Verbindung mit Sinnesfreuden gibt (kāma rāga).
- Die volle Bedeutung von dukkham bhayattena wird erst auf der Anāgami-Stufe realisiert (nachdem man auf der Sakadāgāmi-Stufe einen Blick darauf geworfen hat). Man erkennt dann ohne Zweifel das Dukkha, was mit Verlangen nach Sinnesvergnügen verbunden ist. Verlangen nach Sinnesfreuden führt zu Sankhāra Dukkha und Viparināma Dukkha.
7. Auf der Sōtapanna-Stufe versteht man die Anicca-Natur und einen Teil von Dukkha: Dukkha-Dukkha. Auch wenn man Wahrheit in den beiden anderen Arten von Dukkha (Sankhāra Dukkha und Viparināma Dukkha) sieht, kann man deren Auswirkungen nicht wirklich erfassen. Diese beiden Aspekte von Dukkha sind in den höheren Reichen von Kāma Lōka vorhanden (Menschen- und Deva-Reich).
- Auf der Sakadāgāmi-Stufe beginnt man wirklich, Sankhāra Dukkha und Viparināma Dukkha zu verstehen. Erst auf der Anāgami-Stufe ist das voll erfasst. Dies führt zu einer weiteren Stärkung von dukkham bhayattena. Man kann Gefahr in den Arten von Dukkha erkennen, die sich aus Anhaftung an Sinnesfreuden ergibt (auch ohne unmoralische Taten). Das zu begreifen, ist viel schwerer als das Erfassen der Gefahr durch Dukkha Dukkha.
8. Wenn man zum Anāgami wird, hat man die unteren 5 Fesseln entfernt (ōrambhagiya samyōjana), womit man gleichzeitig die Bindung an Kāma Lōka löst. Siehe Dasa Samyōjana – Fesseln im Wiedergeburtsprozess.
- Es gibt fünf höhere Samyōjana, die mit höheren Rupa– und Arupa-Reichen verbunden sind. Zuerst wird Rupa Rāga (Bindung an Rupa Jhāna) und dann Arupa Rāga entfernt (Bindung an Arupa Jhāna).
- Rupa und Arupa Jhāna sind im Grunde das, was meist in den Rupa und Arupa Reichen erfahrbar ist (die höchsten 20 Reiche). In diesen Reichen fehlen Dukkha Dukkha und Sankhāra Dukkha. Nur Viparināma Dukkha ist vorhanden. Man erlebt jhānische Vergnügen bis zum Ende des Bhava, wo man hilflos wird und sogar in den Apāya enden kann.
9. Das Sammeln von „Wertsachen“ (Häuser, Geld usw.) als Erwachsener ist genauso töricht ist wie das Sammeln von Bonbonpapier als Kind.
- Um diesen Schritt zur „höheren Weisheit“ gemäß Buddha Dhamma zu machen, muss man zuerst die „Weltanschauung des Buddha“ verstehen, dass die Welt von Anicca-Natur ist, d.h. Verlangen nach diesen „Wertsachen“ führt langfristig nur zu Leiden.
10. Es ist eine Illusion, dass irgendein Objekt dieser Welt die Nicca-Natur hat, d.h. dass es Dinge in dieser Welt gibt, die einen echten, dauerhaften Wert haben. Die Realität ist das Gegenteil und wird durch das Wort anicca ausgedrückt. Anicca bedeutet, dass es in dieser Welt nichts gibt, was dauerhaftes Glück bringen kann.
- Es ist jedoch sehr schwierig, diese Anicca-Natur zu verstehen. Viele Handlungen in diesem Leben bringen keine Früchte in diesem Leben, aber in zukünftigen. Daher erfordern die Gesetze von Kammā unbedingt den Wiedergeburtsprozess.
- In der Pali-Terminologie hat man mehr iccā bzw. mehr Bindung an ein Objekt, wenn man es als werthaltig ansieht. Man hat iccā für ein Objekt, von dem man annimmt, dass es Glück bringt, d.h. man hat nicca sanna für dieses Objekt ( Wahrnehmung von icca).
- Aber die Realität ist, dass entweder das Objekt an Wert verliert ODER dass man stirbt. Am Ende geht jeder wahrgenommene Wert gegen Null. Eines dieser beiden Ergebnisse ist immer unvermeidlich.
11. Wenn man nicht an Wiedergeburt glaubt, könnte man meinen, alles sei zulässig, um in den Besitz dieser wertvollen Objekte zu gelangen, da es ja keine schwerwiegenden Konsequenzen geben wird.
- Zum Beispiel könnte man Millionen stehlen und hoffen, den Rest des Lebens komfortabel zu verbringen (wenn man nicht erwischt wird).
- Ein Drogenabhängiger könnte sagen: „Ich genieße einfach Drogen, bis ich daran sterbe.“ Er/sie glaubt, dass es keine Folgen hat.
- Die Einstellung zu solchen Dingen ändert sich jedoch dramatisch, wenn man Wiedergeburt als real sieht. Die meisten Menschen glauben nur, was die „Wissenschaft“ sagt, und kümmern sich nicht um die Hinweise auf Wiedergeburt.
- Die Wissenschaft ist sich einig, dass Ursachen zu entsprechenden Effekten führen: Jede Aktion hat eine Reaktion. Nichts passiert ohne Grund. Da die Wissenschaft jedoch nicht viel über die Funktionsweise des Geistes weiß, ist sie nicht in der Lage, Antworten auf Fragen zu geben, die den Geist betreffen. Kammā und Vipāka sind Ursache und Wirkung.
12. Lōbha (Abhijjā) ist Gier, die der Geist erzeugt, wenn er einem Objekt einen „hohen Wert“ beimisst. Unmoralische Taten liegen damit im Bereich des Möglichen, um das Objekt zu erlangen.
- Jemand mit Kāma Rāga hat den Wunsch, sinnliche Objekte zu genießen, wird aber andere nicht verletzen wollen, um diese zu bekommen. Die meisten „moralischen Menschen“ gehören in diese Kategorie. Sogar ein Sōtapanna beginnt auf dieser Stufe. Ein Sakadāgāmi hat den Wunsch verloren, solche sinnlichen Objekte zu „besitzen“, genießt diese aber noch.
- So verringert sich das Verlangen nach Sinnesfreuden allmählich, wenn man die Sakadāgāmi-Stufe durchläuft, und wird schließlich ausgelöscht, wenn man zum Anāgami wird. Mit anderen Worten, Sinnesobjekte verlieren den wahrgenommenen „Wert“, wenn man in Richtung Nibbāna vordringt.