Am Ende kommt es darauf an wirklich zu verstehen. Die Art und Weise wie verschiedene Menschen „nicht-Selbst“ interpretieren, kann sich unterscheiden, obwohl der Begriff des „Selbst“ sehr klar ist.
- Wenn anatta „kein-Selbst“ bedeutet, dann gibt es nichts, was Person A von Person B unterscheidet. Wenn A etwas von B nimmt, kann er/sie sagen: Es gibt kein „ich“ und es gibt kein „du“, was ist falsch daran dein Zeug zu nehmen? Wenn B an „kein Selbst“ glaubt, kann er dann mit A streiten?
- In ähnlicher Weise gibt es viele andere Widersprüche: Wenn es „kein Selbst“ gibt, (i) wer erreicht Nibbana?, (ii) wer handelt moralisch oder unmoralisch?, etc.
- Stattdessen muss man begreifen, „dass man in diesem Wiedergeburtsprozess wirklich hilflos ist“ bzw. „man hat auf Dauer keine Kontrolle“. Das ist das Konzept von anatta.
1. Betrachten wir die beiden Worte, die der Buddha benutzte: athma und anathma. In der Brahmajala Sutta (DN1) sagte der Buddha definitiv, dass beide nicht korrekt sind. Die besten Übersetzungen dieser beiden Begriffe sind heutzutage wahrscheinlich „Seele“ und „keine Seele“ (oder „Selbst“ und „Nicht-Selbst“):
- „Seele“ meint eine unveränderliche Entität. Die meisten Religionen glauben, dass die Seele in die Hölle oder in den Himmel geht und dann ist diese „Seele“ für immer in diesem Zustand.
- „Keine Seele“ gilt im Sinne eines Materialisten, d.h. „eine Person“ ist nur der Körper (mit Gedanken aus dem materiellen Gehirn) und wenn man stirbt, ist dies das Ende der Geschichte. Nichts überlebt den physischen Tod.
- Das waren die beiden Extreme, die der Buddha als athma und anathma ablehnte. Siehe auch Anattā (weltliche Interpretation) – SN44.10 Ānandasutta.
2. Die eigentliche Verwirrung entstand, als das Pali-Wort anatta ins Sanskrit als anathma übersetzt wurde. Anschließend wurde das Sanskrit-Wort anathma übersetzt als „kein Selbst“. Dies geschah zur gleichen Zeit, als athma als „Selbst“ bzw. „Seele“ übersetzt wurde.
3. Wenn man meint, dass es „kein Selbst“ gibt, dann gibt es auch keine „Seele“, d.h. kein athma? Es gibt zwei Möglichkeiten. Schauen wir sie sorgfältig an:
- Wenn man unter „kein Selbst“ versteht, dass man nicht wiedergeboren wird (keine Wiedergeburt), dann ist dies dasselbe wie „keine Seele“.
- Manche Menschen haben eher die Idee einer „sich verändernden Persönlichkeit“ im Gegensatz zur obigen materialistischen Ansicht von nichts, was den Tod überlebt. Man glaubt also, dass ein Mensch z.B. als Tier wiedergeboren werden kann. Dann hat man das richtige Konzept von „kein Selbst“ oder was ich eine „sich ständig verändernde Persönlichkeit“ nenne.
- Man muss darüber nachdenken und zwischen den beiden möglichen Interpretationen unterscheiden.
4. Viele Leute benutzen die Phrase „kein Selbst“ falsch.
- Manche sagen: „Der Buddha sagte, dass es kein Selbst gibt. Was ist also der Sinn Buddha Dhamma zu lernen, wenn es kein „ich“ gibt?“
- Andere sagen: „Selbst wenn ich sterbe und als Tier wiedergeboren werde, wird es nicht „ich“ sein, weil es kein Selbst gibt.“
- Sie liegen beide falsch, indem sie von „keine-Seele“ sprechen. Dann frage ich: „Wenn es kein ‚ich‘ gibt, wäre es in Ordnung, wenn dich jemand mit einem Stock schlägt?“. Dann erkennen sie natürlich, dass es ein „ich“ gibt. Das ist das „ich“, was Buddha Dhamma lernt oder als Tier wiedergeboren wird.
5. Wir können ein einfaches Gleichnis nehmen, um eine Vorstellung von diesen beiden Extremen von „Seele“ und „keine Seele“ zu bekommen. Jeder kennt Formen und Farben von Wasserfontänen.
- Wir alle wissen, dass die vom Wasser geschaffenen Strukturen nicht real sind, sondern Illusionen von Strukturen. Aber wir können auch nicht sagen, dass sie nicht existieren.
- Auf die gleiche Weise können wir nicht sagen, dass eine Person nicht existiert. Es gibt jedoch nichts, was dauerhaft existiert, es ist nur vergänglich. Somit sind sowohl „Selbst“ als auch „Nicht-Selbst“ falsche Wahrnehmungen.
- So wie wir mit diesen Wasserfontänen verschiedene Formen und Figuren erschaffen, gehen wir alle im Wiedergeburtsprozess durch verschiedene Lebensformen. Das Leiden (oder das zwischenzeitliche Glück) ist jedoch real.
6. Dies ist ein tiefes Konzept. Wir können nicht leugnen, dass wir die innere Wahrnehmung (sanna) eines „ich“ haben (es sei denn, man ist Arahant). Das ist auch der Grund, warum wir diesen Wiedergeburtsprozess durchlaufen. Aber diese verzerrte Wahrnehmung (sanna vipallasa) kann NICHT durch Zwang losgelassen werden. Indem man die wahren Bedeutungen von anicca, dukkha, anatta zu verstehen beginnt, erkennt der Geist allmählich, dass es kein wirkliches „ich“, sondern nur einen sich ständig ändernden „Lebensstrom“ gibt.
- Man könnte Jahrhunderte lang meditieren „Es ist anäthma“ oder „Es gibt kein Selbst“ und man würde der Sotapanna-Stufe nicht näher kommen und kein Niramisa Sukha spüren, weil man tief drinnen nicht wirklich daran glaubt.
- Stattdessen muss man begreifen, dass „in dieser Welt nichts Fruchtbares zu haben ist“ oder dass „man in diesem Wiedergeburtsprozess wirklich hilflos ist“. Das ist anatta.
- Ein anderes Wort für anatta ist anätha (das singhalesische Wort), was „völlig hilflos“ bedeutet. Das ist der Status eines Menschen, der die Gefahren von Sansara nicht kennt. Das Gegenteil ist nätha, das auch in Pali verwendet wird, um sich auf den Buddha zu beziehen (man wird nätha, wenn man die Botschaft des Buddha erfasst).
7. Mit anderen Worten: „Es gibt ein ich, solange man sich nach Dingen in dieser Welt sehnt“. Diese Wahrnehmung zu verweigern ist nicht die Lösung. Man sehnt sich nach Dingen in dieser Welt, weil man glaubt, dass diese Dinge Glück verschaffen. Die Tendenz in den Dinge dieser Welt Glück zu suchen, wird sich nicht verringern, bis man die Sinnlosigkeit dieses Strebens versteht. Auch wenn man es nicht weiß, man ist wirklich hilflos in Sansara. Und das ist eine wahre Bedeutung von anatta.
- Aber das kann nicht allein durch Lesen verstanden werden. Man muss über reale Beispiele aus seinem Leben nachdenken (meditieren). Man wird wissen, dass das Konzept langsam vom Geist akzeptiert wird, wenn das Verlangen nach Dingen dieser Welt allmählich nachlässt.
Warum Dukkha nicht nur Leiden ist?
1. Es gibt Verwirrung darüber, was der Buddha über das Leiden sagte, weil die Meisten nicht zwischen dukha und dukkha unterscheiden können. Aber das Pali-Wort für Leiden ist dukha. Dukkha (dukha + khya) bedeutet, dass es verstecktes Leiden gibt und dass dieses Leiden beseitigt werden kann (khya = reduzieren).
- Dukkha Sacca (die erste edle Wahrheit) ist das Wissen darüber, dass die Dinge, die wir als „Sinnesfreuden“ schätzen, die URSACHE dieses „versteckten Leidens“ sind.
2. Dukha ist ein Vedana (Gefühl). Jeder Mensch und auch Tiere fühlen Dukha. Niemand muss überzeugt werden, dass es Dukha in dieser Welt gibt. Wenn jemand Nibbana erreichen kann, indem er Dukha in dieser Welt verwirklicht oder erkennt, dann würden Tiere zuerst Nibbana erreichen, weil sie Dukha sehr gut kennen.
- Dukkha (oder Dukkha Sacca) ist jedoch die erste edle Wahrheit. Sie besagt, dass es hinter diesem scheinbaren Glück oder der Illusion eines zukünftigen Glücks, welches durch „harte Arbeit“ erreicht werden kann, ein „verstecktes Leiden“ gibt.
- Dukkha Sacca versteht man nicht, indem man über das Leiden nachdenkt, sondern über die Ursachen des Leidens, d.h. die unmoralischen Dinge, die wir wegen des Mangels an Verständnis von anicca, dukkha, anatta tun.
- Um Dukkha zu verstehen, muss man die größere Weltsicht des Buddha verstehen und sehen, dass das meiste Leiden in zukünftigen Wiedergeburten sein wird, wenn man nicht wenigstens Sotapanna wird.
- Deshalb braucht es viel Zeit und Mühe, um Weisheit (panna) zu erlangen und wirklich auf dem edlen Pfad zu beginnen. Da unsere Sinne andere Reiche nicht erfassen können, einschließlich der Leid gefüllten unteren 4 Reiche (mit Ausnahme der Tierwelt), ist es nicht trivial, die Botschaft des Buddha zu verstehen und wirklich zu glauben.
3. Diese falsche Vorstellung hat auch zur Beliebtheit von „Atemmeditation“ (der falschen Anapana-Meditation) geführt, um „Leiden“ zu beseitigen.
- Es ist wahr, dass man durch die Atemmeditation „vorübergehende Erleichterung“ und sogar jhanische Erfahrungen bekommen kann. Das löst aber nicht das Problem des „langfristigen sansarischen Leidens“, was der Buddha meinte.
- Wenn man wahre Anapana kultiviert (siehe Was ist Anapana?), kann man vorübergehende Erleichterung erzielen und auf ein „langfristiges Glück“ von Nibbana hinarbeiten.
4. Die meisten Menschen meinen, dass Buddha Dhamma pessimistisch sei, weil es das Leiden betont. Eigentlich ist es genau das Gegenteil.
- Der Buddha war nur Botschafter der schlechten Nachricht. Er entdeckte die wahre Natur dieser Welt: Egal wo wir in den 31 Reichen geboren werden, wir werden kein Glück finden und auf lange Sicht überwiegt das Leiden.
- Eine Welt, die auf ständiger Veränderung oder genauer gesagt auf ständiger Unordnung (Unbeständigkeit) basiert, ist von Natur aus nicht in der Lage, Stabilität zu liefern (daher ist anicca nicht Vergänglichkeit, sondern anicca entsteht aus Unbeständigkeit).
- Doch wir haben die WAHRNEHMUNG, dass wir irgendwie „das System schlagen“ und Glück finden können. Das ist die falsche Wahrnehmung von nicca. Sobald wir wirklich Dukkha verwirklichen, werden wir sehen, dass alles in dieser Welt die Anicca Natur hat. Nichts auf dieser Welt kann langfristig Freude bereiten.
5. Der Buddha entdeckte nicht nur, dass uns „diese Welt“ kein stabiles und dauerhaftes Glück geben kann. Er hat auch den Weg gefunden, aus dieser inhärent instabilen und damit unbefriedigenden Natur der Existenz herauszukommen. Dies ist der edle achtfache Pfad.
6. Daher ist es wichtig zu erkennen, dass Dukkha die einzige optimistische Botschaft enthält, die jeder erreichen kann: Dass wir dieses unvermeidliche Leid überwinden können.
- Wenn man die wahre Natur dieser Welt wirklich realisiert, gibt man freiwillig auf vergeblich zu kämpfen, um das Unmögliche zu erreichen, und das führt schon vor der Sotapanna-Stufe automatisch zu einem Zustand der Glückseligkeit.
- Dieses besondere Glück, Niramisa Sukha, unterscheidet sich von den Sinnesfreuden und man kann es mehr und mehr erfahren, wenn man dem Pfad folgt. Es gipfelt in der Arahantschaft bzw. in bedingungsloser Glückseligkeit. Man kann dieses Niramisa Sukha bis hin zum Höhepunkt in Nibbana während dieses Lebens erleben.
7. Es gibt nur zwei Möglichkeiten , wie das Schicksal eines jeden ausgeht:
- Man wartet, bis man wirklich alt wird, um das Leiden in diesem Leben selbst zu ERLEBEN. Es spielt keine Rolle, wie viel Geld man hat: Man wird NICHT die sinnlichen Freuden genießen können, wie man es aus jüngeren Jahren gewohnt ist: alle Sinnesfähigkeiten nehmen ab, einschließlich kulinarischer Genüsse, visuell, auditiv, sexuell usw. Und wenn man an schwerer Krankheit leidet, wird es schlimmer sein. Das Schlimmste ist, dass es zu spät sein wird, denn selbst der Geist beginnt zu verfallen (es ist tatsächlich das Gehirn, das degeneriert), und man wird keinen geistigen Fortschritt machen können.
- Die einzig vernünftige Option ist, Einsicht JETZT zu entwickeln. Der Buddha hatte die wahre Natur dieser Welt mit 31 Reichen offenbart. Zumindest sollte man das größere Weltbild des Buddha untersuchen um zu sehen, ob dieses Bild Sinn macht und ob man damit aus dieser „Welt“ rauskommt.
- Menschen begehen Selbstmord, weil sie denken, dass das Leiden endet. Das tut es nicht. Die einzige Möglichkeit das Leiden zu stoppen, ist die Wiedergeburt zu stoppen. Nirgendwo in den 31 Reichen kann das Leiden enden. Man kann in den höheren Reichen relativ lange Perioden des Glücks finden, aber auf der sansarischen Zeitskala wird dies nur ein Augenzwinkern sein. Siehe Sansarische Zeitskala.
- Man kann den vom Buddha vorgegebenen Weg testen. Wenn man Niramisa Sukha erfährt, indem man Gier, Hass und Unwissenheit beseitigt, beginnt man die „Abkühlung“ hin zu Nibbana zu fühlen. Dies wird die Vorliebe (chanda) für Buddha Dhamma vergrößern, die Entschlossenheit (citta) und Anstrengung (viriya) verbessern, Erkenntnis zu suchen (vimansa).