Majjimā Patipada – Ein Weg die Anhaftung an diese Welt aufzugeben

1. In fast allen Übersetzungen wird Majjimā Patipada als der „mittlere Weg“ bezeichnet. Dies gibt den Eindruck, dass man sich nur von extremen Sinnesfreuden und extremen Strapazen für den Körper fernhalten muss. In der Analyse der Sutta werden wir sehen, dass der Buddha etwas anderes meinte.

  • Viele Pali-Wörter haben zwei Bedeutungen: eine konventionelle (weltliche) und eine transzendente (lokottara). Wir sahen schon, dass der achtfache Pfad so oder so interpretiert werden kann: Maha Chattarisaka Sutta (Diskurs über die Großen Vierzig). Das war wohl eine Strategie des Buddha, um zumindest die konventionelle Übertragung des Tipitaka sicherzustellen, wenn für längere Zeiten keine Ariya  verfügbar sind, welche die lokottara Bedeutungen der wichtigsten Pali-Worte kennen.
  • Majjimā Patipada als „mittlerer Weg“ im herkömmlichen Sinne ist ein guter Start. Aber die lokottara Bedeutung geht tiefer. Diese Sutta legt die Grundstruktur dafür. Während der 45 Jahre seines Wirkens erklärte der Buddha die Details auf verschiedene Weise.
  • Eine lokottara Bedeutung von  Majjimā Patipada  ist die Vermeidung der Trunkenheit durch Sinnesfreuden. Ein hohes Maß an Trunkenheit wird entfernt, indem man Micca Ditthi  mit Erreichen der  Sotapanna-Stufe los wird. Danach entfernt man tiefer liegende Ebenen der Trunkenheit, während man schrittweise Weisheit gewinnt.
  • Wir folgen dem Text der Sutta  in dieser PDF:  Dhammacakkappavattana-Sutta

2. Das „Aufgeben“ im Titel dieses Artikels bedeutet „freiwillig aufzugeben“ und nicht mit bloßer Willenskraft. Das verstehen auch viele Menschen nicht. Der Geist wird nichts aufgeben, wenn er es für wertvoll hält.

  • Die Gründe für das „Aufgeben“ liefert Buddha Dhamma. Man wird zum Sotapanna, wenn man nicht nur das Unfruchtbare, sondern auch die Gefahr der Anhaftung an Sinnesvergnügen wahrnimmt. Aber auch ein Sotapanna hat die Anicca-Natur dieser Welt nur „gesehen“, aber nicht völlig realisiert.
  • Das eigentliche „Aufgeben“ kommt danach, wenn man beginnt, freiwillig aufzugeben und die beiden Stufen Sakadagami und Anagami erreicht. Schließlich endet alle Anhaftung auf der Arahant-Stufe.
  • So braucht man nicht alles aufzugeben, noch bevor man zum Sotapanna wird. Aufgeben geschieht automatisch, wenn man die wahre Natur dieser Welt realisiert.

3. Im ersten Satz des Abschnitts 2 der PDF heißt es: „Bhikkhus, was ist Majjimā Patipada, verkündet vom Tathagatha (Buddha), dass zu Vision, Weisheit, Ruhe, besonderes Wissen (abhinna), verstehen von San (sambodhi) und zu Nibbāna führt?“

  • „Es ist der edle achtfache Pfad: samma ditthi, samma sankappa, samma vaca, samma kammanta, samma ajiva, samma vayama, samma sati, samma samadhi“.
  • Im dritten Satz bekräftigt er, dass es in der Tat der Pfad ist bzw. Majjimā Patipada.

4. Im Abschnitt 3 werden die vier edlen Wahrheiten kurz genannt (uddesa,  siehe Sutta -Einführung), und jede kann im Detail mit tausend Seiten beschrieben werden.

  • Die erste edle Wahrheit sagt: „Jāti’pi dukkhā, jarā’pi dukkhā,…“. Diesen Satz haben wir bereits analysiert, siehe z.B. Beschreibt die Erste Edle Wahrheit nur Leiden?.
  • Die zweite edle Wahrheit nennt kurz und bündig die Ursachen für Leiden (dukkha samudhaya): „Die Hauptursache ist Tanha. Die Tendenz, an verschiedenen Dingen zu hängen (yayan tanha), erzeugt Bhava (ponobhavita) durch Wertschätzung solcher Dinge (nandiraga) und Vorrangstellung für sie (abhinandani). Diese Anhaftung hat drei Teile: Verlangen nach Sinnesfreuden (Kama Tanha), Bhava Tanha und Vibhava Tanha,  siehe Kama Tanha, Bhava Tanha, Vibhava Tanha.
  • Die dritte Edle Wahrheit sagt, wie diese Ursachen beseitigt werden: „Durch Entfernen von Tanha ohne Spur (yeva taṇhāya asesa-viraga-nirodho), durch Geben ohne etwas zu erwarten (chago), durch Brechen aller Bindungen (paṭinissaggo), durch Lösen der Fesseln (mutti), durch Entfernen aller Anhaftung (analayo)“.
  • Und die vierte edle Wahrheit ist der Weg, das zu tun, d.h. der edle achtfache Pfad.

5. Die Abschnitte 4 bis 7 beschreiben, wie der Buddha die Buddhaschaft durch Verstehen (via Paticca Samuppada) der Tiparivattaya erlangte (drei Mauern der Bindung an diese Welt), die der Welt noch nicht bekannt waren (außer zu Zeiten früherer Buddhas): „ .. pubbe ananussutesu dhammesu ..“.

  • Als nächstes schauen wir auf diesen Satz. „..pubbe ananussutesu dhammesu cakkhun udapādi, ñāṇan udapādi, paññā udapādi, vijjā udapādi, āloko udapādi..“.

6. Als der Buddha die vollkommene Erleuchtung mit dem Verstehen des Dhamma erlangte, erhielt er auch fünf spezielle Kenntnisse: cakkhu, nana, panna, vijja, āloka. 

  • Cakkhu ist hier das „Dhamma-Auge“ bzw. die Fähigkeit, die wahre Natur dieser Welt zu „sehen“. Wir können Nana und Panna einfach als „Wissen“ und „Weisheit“ übersetzen.
  • Als nächstes kommt Vijja (Sanskrit Vidya). Das ist die „ultimative Wissenschaft“ über diese Welt oder die Große Vereinheitlichte Theorie des Dhamma. Ein Buddha ist der größte Wissenschaftler, den die Welt haben kann und so einer  kommt sehr selten.
  • Gleichzeitig mit dem Verständnis von Vijja löst man sich von der „materiellen Welt“ (āloka = ā + loka). Das Wort āloka hat weitere Bedeutungen, u.a. „Licht“.

7. Diese fünf Faktoren entstehen gleichzeitig in einem Buddha, wenn die Buddhaschaft erreicht wird. Normale Wesen erreichen das nur in Stufen.

  • Cakkhuṃ udapādi oder „Entstehen des Dhamma-Auge“ geschieht mit der Sotapanna Stufe, d.h. Samma Ditthi.
  • Ñāṇaṃ udapādi folgt mit Sakadagami-Stufe.
  • Paññā udapādi folgt mit der Anagami –Stufe.
  • Vijjā udapādi erreicht man mit der Arahant-Stufe, wobei āloko udapādi gleichzeitig stattfindet.

8. In Abschnitt 9 wird gesagt: „.. āyasmato Koṇḍaññassa virajan vītamalan dhammacakkhun udapādiyan kiñci samudayadhamman sabban tan nirodhadhamman’ti“.

  • Nach dem Hören dieser ersten Desana wurde der Asket Kondanna zum Sotapanna und „dhamma cakkhun udapadi“ bzw. „das Dhamma-Auge entstand in ihm“.
  • yan kinci samudayadhamman sabban tan nirodhadhamman’ti nennt, was das Dhamma-Auge erfasst hat: „Jedes Dhamma, was diese Welt entstehen lässt (samudaya dhamma), ist ein Dhamma, was beseitigt werden kann (nirodha dhamma)“.
  • Auf der Sotapanna-Stufe kann man „sehen“, wie dieses Nirodha erfolgt. Eigentlich führt das Tun zu den nächsten Stufen von Nibbana bis zur Arahantschaft.
  • Man wird zum Sotapanna (und überwindet die erste Runde der Tiparivattaya) durch Verstehen der weiteren Weltsicht und durch „Sehen“ der Fruchtlosigkeit tiefer  „Rauschzustände“ bzw. der Verliebtheit in diese Welt.

9. Wenn ein Sotapanna das zweite Wissen erwirbt (nāṇaṃ udapādi), beginnt er/sie wirklich, die Anicca-Natur zu erfassen, indem er/sie die scheinbaren Sinnesfreuden dieser Welt mit dem Dhamma-Auge durchdringt. Dieser Prozess setzt sich fort durch die nächste Phase panna udapādi, wenn man in der Lage ist, die negativen Folgen und die Gefahren aller Sinnesfreuden wirklich zu verstehen und die Anagami-Stufe erreicht.

  • Wie man sieht, geschieht das eigentliche „Aufgeben“ schrittweise und natürlich. Schiere Willenskraft ist nicht nötig und führt auch nicht zum Erfolg (außer Papa Kamma, die müssen mit Kraft beendet werden).
  • Zum Beispiel braucht man sich nicht wegen eines guten Essens schuldig fühlen. Auch kann man in einem schönen Haus leben, usw. Das sind die Ergebnisse der bisherigen guten Kamma. Aber man muss das Verlangen nach solchen Dingen reduzieren, indem man die Anicca-Natur dieser Welt begreift, d.h. durch das Lernen von Buddha Dhamma und durch Kontemplation. Was man an Verlangen/Sehnsüchten auch immer hat, wird es als wirklich „fruchtlos“ erkannt, wird es auch vom Geist abgelehnt und verschwindet.

10. Man sollte seine Zeit nicht nur auf das Lernen von Dhamma beschränken, sondern sich auch in verdienstvollen Taten engagieren und auch Buddha, Dhamma, Sangha ehren. Diese Aktivitäten helfen, den Geist in einem geeigneten Zustand zu erhalten, um Buddha Dhamma zu empfangen und zu verstehen.

  • Dies ist ein subtiler Aspekt, der in Annantara und Samanantara Paccaya besprochen wird. Genau wie ein Samen geeignete Bedingungen zum Keimen braucht (Boden, Wasser, Sonnenlicht, etc.), braucht man notwendige Bedingungen für den Geist, um tiefe und subtile Konzepte wahrzunehmen. Der Geist wird mit verdienstvollen Taten empfänglicher für Buddha Dhamma und auch fröhlich und ruhig. Das Engagement beim Geben (dana) und im moralischen Leben (sila) helfen enorm bei Bhavana (Kontemplation und Verstehen).

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