Samyōjana sind Bindungen im Wiedergeburtsprozess
1. Samyōjana (auch sanyōjana oder sanyoga) wird meist als „Fesseln“ übersetzt, was keine schlechte Übersetzung ist. Auch wenn der Begriff „Fessel“ heutzutage kein häufiges Wort ist, bedeutet es „eine Kette, die dazu dient, jemanden zurückzuhalten bzw. zu binden.“
- Dasa Samyōjana sind die zehn Ketten bzw. Fesseln, die einen an den Wiedergeburtsprozess binden. So ist man auf lange Sicht unvorstellbarem Leiden ausgeliefert.
2. Das Wort Samyōjana hat drei Wurzeln (san, yō und ja, die jeweils „Verunreinigung“, „binden“ und „Geburt“ bedeuten). Es kann entweder als sanyōjanā ausgesprochen werden oder, wie es bei vielen Wörtern mit „san“ üblich ist, als samyōjana.
- Daher bedeutet samyōjana „Bindungen, die an San binden und den Wiedergeburtsprozess erhalten“. Siehe Was ist „San“?.
- Wenn man diese Bindungen systematisch – in vier Stufen – durchbricht, macht man einen unumkehrbaren Fortschritt hin zu Nibbāna (Befreiung von allem Leiden).
Hauptursache ist das Verlangen
3. Die Saṃyojana Sutta (SN 41.1) sagt deutlich, dass San bzw. „Verlangen“(chanda rāga) beteiligt sein muss: “Evameva kho, Bhante, na cakkhu rūpānaṃ saṃyojanaṃ, na rūpā cakkhussa saṃyojanaṃ; yañca tattha tadubhayaṃ paṭicca uppajjāti chandarāgo taṃ tattha saṃyojanaṃ..“.
Übersetzt: „Samyōjana entstehen nicht aufgrund der Augen, die nur Objekte (rupa) sehen, sondern aufgrund des Verlangens, was durch das Sehen entsteht.“
Verlagen sind wegen falscher Sichtweisen unkontrollierbar
4. Bevor man die Samyōjana überwinden kann, ist es notwendig, sich von den zehn Arten von Micchā Diṭṭhi zu befreien. Siehe Was ist das einzige Akusala, was ein Sotapanna entfernt hat?
- Diese essentielle Voraussetzung für den edlen Pfad, wurde vom Buddha in der Maha Chattarisaka Sutta (Diskurs über die Großen Vierzig) erörtert. Der Grund dafür ist, dass es keine Möglichkeit gibt, auf Nibbāna hinzuarbeiten, wenn man Kamma oder den Prozess der Wiedergeburt nicht versteht und Vertrauen darin hat.
- Das Streben nach Nibbāna, ohne an den Wiedergeburtsprozess zu glauben, ist eine nutzlose Sache. Per Definition ist Nibbāna die Befreiung vom Wiedergeburtsprozess. Manche verwechseln Nibbāna mit einer vorübergehenden Befreiung von den alltäglichen Belastungen des Lebens.
Notwendigkeit einer „größeren Weltsicht“
5. Buddha Dhamma ist anders als jede andere Religion oder Philosophie. Man muss zuerst die Botschaft des Buddha verstehen, bevor man sich auf den von ihm gezeigten Pfad begeben kann. Viele Menschen verschwenden Zeit damit, blindlings Dingen nachzugehen, die nichts mit dem edlen Pfad zu tun haben.
- Man muss erkennen, dass die Welt viel komplizierter ist, als sie von unseren Augen gesehen wird. Dazu braucht es „Sehen mit Weisheit“. Diese Weisheit (paññā) kann nur schrittweise kultiviert werden, d.h. mit einem zunehmend reinen Geist, mit weniger Verlangen, Zorn und Unwissenheit.
- Anfangs muss man sich sogar mit Entschlossenheit von Dasa Akusala fernhalten. Vielleicht braucht man gewisse Routinen/Rituale oder einen Vorsatz wie „Ich werde die fünf Gebote NICHT brechen“.
- Stoppt man die starken unmoralischen Taten (pāpa kamma), sollte man auch in der Lage sein, sich von Micchā Diṭṭhi zu befreien. Dann ist der Geist klar genug , um die Tilakkhana (anicca, dukkha, anatta) bis zu einem gewissen Grad zu erfassen.
Sammā Diṭṭhi kommt zuerst
6. Der erste Schritt auf dem edlen Pfad ist Sammā Diṭṭhi. Es ist eine neue Sichtweise, wie die Welt funktioniert.
- So durchbricht man die ersten drei Samyōjana (sakkāya diṭṭhi, vicikicca, sīlabbata parāmasa).
7. Die Bindungen werden im Geist gebrochen. Man erlangt Sammā Diṭṭhi mit Verstehen der wahren Natur dieser Welt mit 31 Reichen.
- Nichts in dieser Welt bringt auf lange Sicht dauerhaftes Glück (anicca). Damit ist es trotz aller Mühen nicht möglich, Leiden zu vermeiden (dukkha). Deshalb hat unser Sein in dieser Welt keinen Wert und man ist auf Dauer wirklich hilflos (anatta).
Die Tendenz, wertlose weltliche Dinge zu schätzen
8. Wenn man ein Objekt wertschätzt, kann man außerordentlich viel Aufwand betreiben, um es zu bekommen und zu erhalten. Ein gewöhnlicher Mensch schätzt viele Dinge dieser Welt (z.B. einen schönen/ansehnlichen Partner, ein traumhaftes Haus, ein schnelles Auto, Fernreisen usw.).
- Menschen sind durchaus bereit, sich Mord, Raub, Lügen, Betrug usw. zu bedienen, um diese „Dinge“ zu bekommen. Damit geraten sie in zweierlei Hinsicht in Schwierigkeiten: Wenn die Gesellschaft sie erwischt, müssen sie Konsequenzen ertragen, z.B. ins Gefängnis gehen. Entgehen sie der Strafe in diesem Leben, wird passendes Kamma Vipāka in der Zukunft für Ausgleich sorgen, d.h. man zahlt in zukünftigen Leben für diese Taten.
- Ohne Micchā Diṭṭhi ist einem klar, dass akusala Kamma ausnahmslos schlechte Ergebnisse einbringt. Deshalb wird man vorsorglich solche Taten vermeiden wollen.
9. Das Erfassen der Tilakkhana wird den Geist jedoch auf eine neue Ebene heben.
- Wenn man beginnt, anicca zu begreifen, ist man sich vielleicht noch nicht sicher, ob das stimmt. Aber man wird überzeugt sein, dass sich schlechte Taten nicht lohnen, insbesondere solche, die in die Apāyā führen.
- In diesem Anfangsstadium kann man die Gefahren der Wiedergeburt in den unteren Reichen sehen. Der Geist wird dann AUTOMATISCH solche Handlungen ablehnen. Das geschieht nicht durch bloße Willenskraft, sondern es wird im Geist „einprogrammiert“. In der Sprache des Abhidhamma wird ein Votthapana Cittā in einem Citta Vīthi diese Entscheidung in einem Sekundenbruchteil treffen.
Sōtapanna erfordert die „korrekte Sichtweise“
10. Die ersten drei Samyōjana verliert man also, weil man ein Stück der wahren Natur dieser Welt begreift, die anicca-Natur.
- Man wird mit einem Schlag einen Großteil der Dinge dieser Welt nicht mehr wertschätzen. Und man weiß, es gibt NICHTS in dieser Welt, was es wert ist, einen anderen Menschen zu töten.
- In diesem Stadium ist man ein Sōtapanna Anugāmi, und man wird irgendwann ohne Zweifel zum Sōtapanna.
Sōtapaññā Magga Anugāmi und Sōtapaññā
11. Die Befreiung von den Apāyā hängt davon ab, dass man die Gefahren höchst unmoralischer Taten begreift, die es nicht wert sind, getan zu werden, weil NICHTS in dieser Welt so wertvoll sein kann. Anders ausgedrückt: Nichts in dieser Welt ist es wert, Wiedergeburt in den Apāyā zu riskieren.
- Der Buddha charakterisierte dukkha als dukkhaṃ bhayaṭṭhena, d.h. „dukkha ist ein anderer Name für Gefahr.“
- Die edle Wahrheit über dukkha erklärt, wie man das Entstehen des Leidens verhindern kann, indem man die Gefahren von schlechtem Kamma versteht.
Kāma Rāga beseitigt man auf höheren Stufen von Nibbāna
12. Der nächste Schritt hin zu Nibbāna beinhaltet die Beseitigung von zwei weiteren Samyōjana: Kāma Rāga und Paṭigha. Das bedarf zweier weiterer Stufen, nämlich Sakadāgami und Anāgāmi.
- In gewisser Weise sind diese beiden Bindungen schwerer zu durchbrechen, weil wir fast alle Wiedergeburten seit anfanglosen Zeiten in Kāmalōka erlebten. Wir sind so sehr an Sinnesfreuden (kāma) gewöhnt, dass es für einen durchschnittlichen Menschen fast unmöglich ist, die anicca-Natur in Kāmalōka zu begreifen.
- Zunächst ist es einfacher, die negativen Konsequenzen von hochgradig unmoralischen Taten zu sehen, die Wiedergeburt in den Apāyā bewirken. Der Buddha beschrieb solch unvorstellbares Leiden in einigen Suttā. Siehe z.B. Dēvaduta Sutta (Majjhima Nikāya 130).
Apāyagāmi Taten werden mit falschen Sichtweisen getan
13. Es ist für einen durchschnittlichen Menschen schwieriger zu erkennen, dass hochgeschätzte Dinge, nicht nur wertlos, sondern auch gefährlich sind, denn sie bringen via Kamma Vipāka zukünftiges Leiden.
- Die meisten „moralischen Menschen“ glauben, dass man mit guten Taten dem zukünftigen Leiden entgehen kann. Selbst wenn man die Tilakkhana bis zum Stromeintritt begriffen hat, könnte das immer noch der Eindruck sein.
- Buddhas bedeutendste weibliche Laienschülerin Visākā hatte im Alter von nur sieben Jahren die Sōtapaññā-Stufe erreicht. Später heiratete sie und bekam 22 Kinder. Hätte Visāka schon verstanden, dass Kāmalōka auch mit Leiden erfüllt ist, hätte sie das sicher nicht getan.
Meine Erfahrung
14. Kāmarāga (Anhaftung an Sinnesfreuden) und damit auch Paṭigha Samyōjana loszuwerden, ist eine viel schwierigere Sache. Deshalb habe ich über drei Jahre gebraucht, um wirklich anzufangen, die Wertlosigkeit UND die Gefahren der Anhaftung an Sinnesfreuden zu begreifen.
- Mir war nicht klar, dass ich die Gefahren im Verbleiben in Kāmalōka sehen muss, um nach der Anagami-Stufe zu streben. So hatte ich all die Jahre über das Aufgeben von Kāmarāga meditiert, aber der Geist hat die Dringlichkeit dazu erst im letzten Monat begriffen (Anfang 2018). Siehe Assāda, Ādīnava, Nissarana – Einführung.
15. Ich kannte also den „Theorie-Teil“. Aber Paññā bzw. Weisheit war noch nicht ausreichend kultiviert, um Gefahren der Sinnesfreuden zu erkennen!
- Es brauchte einen Auslöser, damit mein Geist endlich die Wertlosigkeit und Gefahren des Bleibens in Kāmalōka erkannte.
- Man muss so lange weiter streben, bis der Geist durch ein passendes Ereignis „getriggert“ wird. Solange man weiter strebt, wird es zwangsläufig passieren. Für mich kam es wie ein Schock.
Unterschied zwischen Magga Phala und Jhāna
16. Übrigens wird mir der Unterschied zwischen Magga Phala und Jhāna immer klarer. Obwohl Jhāna helfen, sind sie doch nicht notwendig, um Magga Phala zu erlangen. Es heißt sīla -> samādhi -> paññā, und NICHT sīla -> jhāna -> paññā.
- Es mag Menschen mit Magga Phala und ohne Jhāna geben; mit Anāriya Jhāna und ohne Magga Phala; und auch mit Anāriya Jhāna und mit Magga Phala. Mit Ariya Jhāna ist man mindestens Anāgāmi.
- Es ist praktisch unmöglich, zwischen Ariya Jhāna und Anāriya Jhāna zu unterscheiden. Eines ist ganz klar: Man kann nicht das erste Ariya Jhāna erreichen, ohne das ENTFERNEN von Kāmarāga (ucceda pahāna, nicht nur vikkhambhana pahāna), d.h. Kāma Anusaya muss entfernt sein, nicht nur unterdrückt.
Stoppen von Wiedergeburt in Kāmalōka
17. Sobald man Kāmarāga und Paṭigha vollständig überwindet und zum Anāgāmi wird, ist man frei von Wiedergeburt in Kāmalōka (unterste 11 Reiche).
- Nur dann kann man sagen, dass man wirklich gesund wird (frei von Krankheit). Man löst sich zukünftig damit auch von den drei Sinnen: Geruch, Geschmack, körperliche Berührung.
- Als Sakadāgami wird man nicht mehr im Menschenreich wiedergeboren und man ist damit auch frei von Krankheit.
- Bedingung für Sakadāgami ist die Reduzierung von Kāmarāga und Paṭigha. Geburten sind dann nur in Dēva-Reichen von Kāmalōka möglich. Auf dieser Stufe hat man den Wunsch verloren, Objekte zu besitzen, die Sinnesfreuden bringen (vatthu kāma). Aber der Drang nach Sinnesfreuden wäre zumindest teilweise noch vorhanden.
Brechen der Bindungen an Rūpalōka und Arūpalōka
18. Ein Anāgāmi ist mit fünf weitere Bindungen bzw. Samyōjana an Sansara gebunden: rūpa rāga, arūpa rāga, māna, uddacca, avijjā.
- Die ersten fünf Samyōjana werden ōrambhāgiya-samyōjana bzw. „niedere Bindungen“ genannt. Die anderen fünf Fesseln werden uddhambhāgiya-samyōjana oder „höhere Bindungen“ genannt.
- Wenn eine Person die ersten sieben Samyōjana überwindet, aber die letzten drei noch hat (māna, uddacca, avijjā), verbleibt der Geistkörper (gandhabba) nach dem physischen Tod, bis die kammische Energie für das Menschen-Bhava erschöpft ist. Parinibbāna wird im Cuti-Patisandhi-Moment geschehen, da man Upādāna für alle 31 Reiche entfernt hat und somit nirgendwo geboren werden kann. Gandhabba würde also bis dahin im antarā Parinibbāna verweilen. So geschah es vermutlich mit Waharaka Thero; siehe Parinibbāna von Waharaka Thēro.
- Wenn ein Anāgāmi Rūparāga entfernt, wird er/sie nie wieder in irgendeinem Reich in Rūpalōka und darunter geboren werden. In gleicher Weise wird man durch Überwindung von Arūparāga frei von Geburt in Arūpalōka.
Es gibt keinen sicheren Ort innerhalb der 31 Reiche
19. Einmal sah der Buddha, dass ein Bhikkhu nach dem Erreichen der Anāgāmi-Stufe begonnen hatte, „es ruhig angehen zu lassen“, und er fragte ihn, warum er nicht mehr so hart strebe wie früher. Der Bhikkhu antwortete, dass er die Anāgāmi-Stufe erlangt hatte und daher dachte, dass er außer Gefahr sei.
- Der Buddha bat ihn, Folgendes zu bedenken: Wenn man Fäkalien berührt und sie einfach abwischt, würde man sie vielleicht nicht mehr sehen. Aber würden die verbleibenden Spuren nicht noch weiter übel riechen? Der Bhikkhu erkannte, dass man erst dann von ALLEM Leid befreit ist, wenn man vollständig aus allen 31 Reichen befreit ist. Es ist schwieriger, die Gefahren auf höheren Ebenen zu sehen, bis etwas passiert, was auf solche „schwer zu sehenden“ Gefahren aufmerksam macht.
- Ich hatte meinen Geist durch Meditation konditioniert, obwohl ich nicht völlig auf das Erreichen der nächsten Stufe konzentriert war. Als dann das Ereignis eintrat, wurde mein Geist „getriggert“. Praktisch sah ich die Gefahren in Kāmalōka „blitzartig“. Im Dezember 2017 hatte ich ein noch stärkeres Lebensereignis (starke Rückenschmerzen), aber das wirkte nicht „als Auslöser“, vermutlich weil mein Geist zu diesem Zeitpunkt noch nicht genug gereinigt war (d.h. Paññā war noch nicht ausreichend kultiviert).
- Auf welcher Stufe wir auch immer „feststecken“, wir sollten die Anstrengung fortsetzen, ohne selbstgefällig zu werden. Ergebnisse werden folgen.
- Manchmal führen solche Auslöser zu Momenten der „Einsicht“, die direkt zu Magga Phala führen. Es gibt solche Beispiele im Tipiṭaka.
Zusammenfassung
20. Schließlich werden die zehn Samyōjana durch verschiedene Methoden entfernt:
- Sakkāya Diṭṭhi, Vicikiccā und Sīlabbata Parāmasa werden durch „korrektes Sehen“ bzw. „richtiges Verstehen“ entfernt. Und das geschieht, wenn man einer Dēsanā von einem Ariya zuhört.
- Kamarāga und Paṭigha werden durch Meditation entfernt (bhāvanā).
- Die fünf höheren Samyōjana werden durch Weisheit entfernt (paññā).