überarbeitet 27.12.2020
1. Der Unterschied zwischen rūpa und rūpakkhandha ist sehr wichtig. Durch die Übersetzung von rūpakkhandha als „Formaggregat“ entsteht der falsche Eindruck, dass es sich um eine Sammlung von „festen Objekten“ handelt. Anstatt Pāli-Wörter auswendig zu lernen (oder zu versuchen, gleichwertige deutsche Wörter zu finden, was in vielen Fällen unmöglich ist), müssen wir verstehen, was mit solchen Pāli-Wörtern gemeint ist. Rūpakkhandha ist völlig geistig.
- In der heutigen Zeit sind Rūpa entweder „Materie“ (unser Körper, Bäume, Häuser usw.) oder „Energie“ (Schall, Wärme usw.). Mit der Einsteinschen Formel E = mc² hat die moderne Wissenschaft anerkannt, dass Materie und Energie in sich dasselbe sind.
- In Bezug auf Buddha Dhamma bestehen all diese rūpa aus suddhāshtaka, der „kleinsten Einheit von rūpa“. Was normalerweise als „Materie“ bzw. „Energie“ bezeichnet wird, besteht aus suddhāshtaka. Suddhāshtaka sind unvorstellbar klein, milliardenfach kleiner als ein Elektron in der Wissenschaft.
2. Doch was ist khandha? In Pāli (und Singhalesisch) bedeutet es „Haufen“ oder „Stapel“. In Singhalesisch wird ein Hügel oder ein „Haufen von Dingen“ als kanda (කන්ද) bezeichnet. Aggregat ist also keine schlechte Übersetzung für khandha (ඛන්ධ auf Singhalesisch für das Pāli-Wort).
- Das Aggregat von rūpa ist rūpa khandha. Es reimt sich zu rūpakkhandha. Diese Art von Wortkombination (sandhi) findet sich öfters bei Pāli-Begriffen wie Dhammacakkappavattana Sutta, anstatt Dhamma Cakka Pavattana Sutta, oder das Wort dhammassavana, anstatt dhamma Savana („Dhamma hören“).
3. Auf der anderen Seite ist rūpakkhandha völlig geistig. Die Khandha-Sutta (SN 22.48) fasst zusammen, was im rūpakkhandha enthalten ist: „Yaṃ kiñci, bhikkhave, rūpaṃ atītānāgatapaccuppannaṃ (Mein Kommentar: atita, anāgata, pacuppanna) ajjhattaṃ vā bahiddhā vā oḷārikaṃ vā sukhumaṃ vā hīnaṃ vā paṇītaṃ vā yaṃ dūre santike vā, ayaṃ vuccati rūpakkhandho. “
Übersetzt: „Welche Art von rūpa auch immer, ob Vergangenheit, Zukunft oder Gegenwart, intern oder extern, grob oder fein, unbeliebt oder beliebt, nah oder fern, das wird rūpakkhandha genannt.“
- Das sind 11 Arten von rūpa (geistige Abdrücke) im rūpakkhandha: Vergangenheit (atita), Gegenwart (pacuppanna), Zukunft (anāgata), intern (ajjhatta), extern (bahiddha), grob (olārika), fein (sukuma), unbeliebt (hīna), beliebt (panita), fern (dūre), nah (santike).
- Die andere vier kandha (vēdanā, saññā, sankhāra, viññāna) haben die gleichen 11 Kategorien.
4. Gehen wir noch auf den „geistigen Abdruck“ des Rūpakkhandha ein.
- Rūpa, die man in der Vergangenheit wahrgenommen hat, sind atita rūpa, einschließlich alles Gesehene auch in früheren Leben.
- Rūpa über die Zukunft (anāgata rūpa), z.B. Ideen zu einem geplanten Haus, können sich mit der Zeit ändern. Das beinhaltet nicht einmal physische rūpa (also nicht mit den Augen erfassbar bzw. olarika).
- Jedes Rupa, was man im Moment sieht (pacuppanna rūpa), geht im Sekundenbruchteil in die Kategorie atita rupa über.
5. Interne (ajjhatta) rūpa sind alle im Körper, ob sichtbar oder unsichtbar: alle Körperteile, alle Organe, alles Blut … Externe (bahiddha) rupa sind natürlich alle außerhalb des eigenen Körpers. Grobe (olārika) rūpa sind das, was wir als „feste Materie“ bezeichnen, und feine (sukuma) rūpa sind „Energie“ (Wärme, Schall usw.).
- Es gibt Rūpa, die man nicht mag (hīna), und welche, die man mag (panita).
- Einige Rūpa liegen fern (dūre), andere sind nah (santike).
- Es kann einige Überschneidungen zwischen den Kategorien geben.
- Vieles im rūpakkhandha sehen wir eigentlich gar nicht. Zum Beispiel haben wir eine geistige Vorstellung von unserem Herzen, aber wir haben das eigene Herz nie gesehen. Möglicherweise haben wir einige Bauwerke wie die Chinesische Mauer nicht gesehen, sondern nur Bilder davon. Wir haben jedoch geistige Vorstellungen darüber.
6. Jetzt können wir den Hauptunterschied zwischen rūpa und rūpakkhandha erkennen.
- Rūpa ist entweder ein fester Gegenstand, den man mit den Augen sieht oder mit dem Körper berührt (der Körper einer Person oder ein Körperteil, ein Baum, ein Planet, ein Stern usw.), oder eine andere Form von Sinneseindruck, der durch die anderen drei Sinnestüren gelangt (Geruch, Geschmack, Geräusch).
- Rūpakkhandha enthält jedoch nur die geistige Abdrücke von diesen äußeren Rūpa. Diese „Kopien von der (Außen)Welt“ sind NICHT greifbar und sie enthalten keine Energie. Rūpakkhandha eines Lebewesens ist UNENDLICH, was bedeutet, dass Aufzeichnungen von ALLEM enthalten sind, was das Wesen in ALLEN vergangenen Leben erlebte, und zwar seit anfangloser Zeit.
- Dies ist der Grund, warum Menschen mit abhinna Kräften sich an Ereignisse erinnern können, die Milliarden Jahre zurückliegen. Der Buddha erinnerte sich z.B. daran, wie er von Buddha Deepankara vor Billionen Jahren zuvor erste niyata vivarana bzw. die Bestätigung erhielt, dass er ein Buddha sein wird.
7. Nehmen wir ein weiteres Beispiel, um den Unterschied zwischen tatsächlichen rūpa und rūpakkhandha zu veranschaulichen.
- Die Zwillingstürme in New York wurden beim Terroranschlag 2001 zerstört. Wenn man zuvor diese Zwillingstürme mal gesehene hätte, würde man sich immer noch an sie erinnern können. Die physischen Strukturen der Türme sind nicht mehr da, aber sie gehören zum rūpakkhandha!
8. Da jeder von uns in seinem Leben sehr unterschiedliche Dinge sieht (und natürlich auch in früheren Leben gesehen hat), sind rūpakkhandha auch sehr unterschiedlich. Jeder Lebensstrom hat den eigenen rūpakkhandha.
- So hat jeder Lebensstrom eigene vēdanākkhandha, saññākkhandha, sankhārakkhandha, viññānakkhandha. Alle können auf die gleiche Weise analysiert werden. Aber alle diese (im Gegensatz zu rūpa verdichtet zu fester Materie) existieren nur, während sie erfahren werden.
9. Ohne diese geistigen Aufzeichnungen (pancakkhandha) können wir das Leben nicht leben.
- Zum Beispiel haben wir in der Vergangenheit Äpfel gesehen, gerochen, berührt und geschmeckt. Wir kennen auch das Geräusch, wenn man in einen Apfel beißt. Alles gehört zum pancakkhandha. Der Geist verwendet automatisch diese früheren Aufzeichnungen, um einen Apfel zu identifizieren.
10. Es ist also nicht falsch, vergangene Ereignisse abzurufen. Das Problem entsteht, wenn wir uns daran binden und anfangen, diese Ereignisse im Geist neu zu erschaffen und sie zu genießen oder auf der anderen Seite unsere Abneigung erneut zu befeuern.
- Kamma wird auf drei Arten erzeugt: manō kamma, vaci kamma, kāya kamma. Die Ursache sind manō sankhara, vaci sankhara, kāya sankhara.
- Mano Kamma (unsere spontanen Gedanken) entstehen automatisch gemäß des Gati.
- Vaci Kamma („mit sich selbst reden“ und hörbar sprechen) entsteht durch bewusste Gedanken.
- Kāya Kamma (Gedanken, die zu körperlichen Handlungen führen) entstehen auch aufgrund bewusster Gedanken und haben höchste Javana. Siehe Javana eines Citta.
- Viele denken, dass „Tagträumerei“ oder mit sich selbst reden nicht schlecht ist, weil wir ja physisch niemandem schaden. Obwohl vaci sankhara weniger wirksam sind als kāya sankhara, kann sich auch vaci kamma summieren und starkes vipāka ergeben.
11. Wenn wir einen „Tagtraum“ genießen, erinnern wir uns meist an ein Ereignis in der Vergangenheit und erleben es immer wieder neu oder bauen es aus. Man könnte auch ein „zukünftiges Ereignis“ erfinden, das man erleben möchte.
- Dieses erneute Durchleben oder Ersinnen zukünftiger Genüsse gehört zum pancaupādānakkhandha (panca+upādāna+khandha). Man zieht dieses Ereignis „nahe zum Geist“ und erzeugt bewusst mehr vaci und kāya sankhara.