Was ist “Kāma”? – Es ist nicht nur Sex

1. Kama kommt von , was „essen“ oder „zerstören“ bedeutet, und ama, was Nibbàna bedeutet. In unserer Menschen-Welt, die Teil von Kamaloka ist, kommen die Versuchungen für das Fernbleiben von Nibbàna durch die fünf physischen Sinnen.

  • Einige Leute glauben, bei Kāma ginge es nur um Sex. Andere meinen, attraktive Sinnesobjekte sind Kāma-Objekte, die zu Verunreinigungen führen. Beides ist nicht ganz richtig.
  • Obwohl „attraktive Sinnesobjekte“ zu Kāma Assada bzw. zu Geist gemachten Vergnügen führen, enthalten diese Objekte kein Kāma. Ein Arahant wird nicht davon verführt.
  • Kama Assada  bzw. „Sinnesfreuden“ sind mit unserer Erfahrung durch die fünf physischen Sinne verknüpft. Aber wie der Buddha lehrte, ist Kāma ein „selbst gemachtes Vergnügen“.
  • Die unteren 11 Reiche werden zusammenfassend als Kāma Loka bezeichnet, weil diese selbst gemachten Vergnügen über alle fünf physischen Sinne zur Verfügung stehen.

2. Wir erleben diese äußeren Sinneseindrücke auf zwei Arten:

  • Wir erleben sie direkt, z.B. sehen wir eine Person, hören ein Lied, schmecken ein Stück Kuchen, riechen einen Duft, fühlen einen Kuss. Das sind tatsächlich Sinneskontakte aufgrund von Kamma Vipāka.
  • Aber die meisten „Sinnesfreuden“ bzw. Kāma Assada erschaffen wir im Geist. Ein Sinneseindruck kommt und geht relativ schnell, aber wir können für Stunden darüber nachdenken.  Diese Kāma Assada erzeugen wir im Geist via Sankhara.

3. In der Na Santi Sutta (SN 1,34) definierte der Buddha Kāma als die zweite Art des Erlebens von Sinneseindrücken: „Na te kāmā yāni citrāni loke, Saṅkapparāgo purisassa kāmo..“.

Übersetzt: „Die hübschen Dinge der Welt sind nicht Kāma, eine Person erschafft ihr eigenes Kāma als vom Geist gemachte Vergnügen (rāga sankalpanā) …“.

  • Buddha sagte, dass diese Welt viele attraktive Bilder, Geräusche, Geschmäcke, Gerüche und Körperkontakte bereithält. Aber das ist nicht Kāma. Die anfängliche Sinneserfahrung kann angenehm sein, aber es ist Kamma Vipāka  (ohne Sankhara  zu erzeugen).
  • Haftet man an einem Sinneseindruck und denkt wiederholt darüber nach, erzeugt man Sankalpita Rāga darüber (via Vaci und Kāya Sankhara), das ist Kāma. Jeder erzeugt eigenes Kāma basierend auf dem Gathi bzw. den samsarischen Gewohnheiten.

4. Was ist mit Sankalpita Rāga gemeint? Sankalpa oder Sankappa sind Gedanken. Raga bedeutet „Verlangen nach Vergnügen“ in Samsāra.

  • Sankalpita Rāga bedeutet also „Nachdenken über solche Sinnesfreuden und ihnen Priorität geben“. Wir neigen dazu, über Sinneserfahrungen nachzudenken, die wir in der Vergangenheit genossen haben oder die wir in der Zukunft erhoffen.
  • In der Tat kommt sexueller Genuss meist aus früheren Erfahrungen oder erhofften zukünftigen Ereignissen. Der eigentliche Körperkontakt ist relativ kurzlebig.

5. Wie schon erwähnt, geschieht der anfängliche eigentliche Sinneskontakt durch Kamma Vipāka. Dieser Kontakt dauert relativ kurze Zeit. Auch das schmackhafteste Essen können wir nicht endlos genießen. Auch der bequemste Stuhl wird irgendwann unbequem.

  • Selbst ein Arahant erlebt solche Sinneseindrücke aufgrund von Kamma Vipāka, gute und schlechte. Jedoch denkt er nicht weiter darüber nach bzw. betätigt sich nicht in Sankalpita Rāga.

6. Jetzt haben wir zwei Fragen.

A. Warum ist es Okay, direkte Sinnesvergnügen zu erleben (als Kamma Vipaka), die natürlich daherkommen, aber andererseits nicht gut, vom Geist gemachte Sinnesvergnügen zu genießen?

B. Wie kann man einen angenehmen Sinneseindruck erleben und nicht davon versucht werden, d.h. nicht zu Sankalpita Rāga wechseln?

7. Die Antworten finden sich in einer Erklärung. Aber das erfordert die Betrachtung aus einem anderen Blickwinkel, als wir es gewohnt sind. Das ist das „Dhamma, was der Welt zuvor nicht bekannt war ..“ oder „pubbē ananussutēsu Dhammēsu …“.

  • Der akusala-mula Paticca Samuppada Zyklus (PS) beginnt mit Avijja paccayā Sankhara. Diese „vom Geist gemachten Genüsse“ bzw. Kāma Assada sind eigentlich SankharaSie haben schlechte Folgen bzw. Adīnava, wie im Rest des PS-Zyklus genannt: Sankhara paccayā Viññāna, Viññāna paccayā Nāmarūpa, … bis zu Jati paccayā Jara, Marana, Soka, Paridēva , …‘ . Der Endpunkt ist Leiden.
  • Wenn wir einen „direkten Sinneskontakt“ erleben, sind das keine Sankhara oder Kāma Assada. Das ist nur Kamma Vipāka. Sie führen nicht zu zukünftigem Leiden. Siehe Avyākata Paticca Samuppada für Vipaka Viññāna.

8. Nun betrachten wir einige Beispiele, wie ein Sinneskontakt durch Kamma Vipāka zu Kāma Assada führen kann. Jeden Tag werden wir mit Millionen von Sinneseindrücken bombardiert. Aber nicht allen „schenken wir Aufmerksamkeit“ oder machen uns Gedanken darüber. Genauer gesagt, sind hier Sinneseindrücke gemeint, die wir mit Lobha und Moha bearbeiten, d.h. „ich will mehr davon“ und „ich will genießen“.

  • Warum ziehen bestimmte Sinneseindrücke unsere Aufmerksamkeit auf sich und andere nicht? Ein Sinneseindruck kann die eine Person aufmerksam machen, die andere aber nicht. Zum Beispiel mögen manche Menschen Heavy-Metal-Musik, aber andere empfinden das nur als Lärm.
  • Aber jeder Mensch kann bei bestimmten Sinneseindrücken aufmerksam werden, wenn er/sie eine Vorliebe dafür hat. Zwei Personen haben vielleicht ähnliche Vorlieben, aber es wird auch Unterschiede geben, denn die Asava/Anusaya sind für jedes Wesen einzigartig. Sie können sich ändern, aber sie definieren den Charakter einer Person zu einem bestimmten Zeitpunkt. Man kann seine Asava/Anusaya ändern, indem man seine Gewohnheiten ändert (Gathi).

9. Je mehr Asava/Anusaya man hat, umso wahrscheinlicher ist es, dass der Geist auf vielerlei Art abgelenkt wird. Dies ist die Hauptursache für einen verwirrten und aufgeregten Geist. So ein Geist kann lästig sein, denn er ist mit Tapa oder „Hitze“ geladen; siehe Satipattāna Sutta – Aufbau.

  • Die Asava/Anusaya kann man mit dem Schmutz auf dem Boden eines Glases Wasser vergleichen. Wenn es viel Schmutz gibt, wird auch eine geringe Störung den Schmutz aufwühlen und das Wasser dunkel färben. Aber wenn es nur wenig Schmutz ist, werden die meisten kleinen Störungen das Wasser nicht trüben können. Kurz gesagt, mit mehr Asava/Anusaya wird der Geist leichter unruhig.
  • Wenn aber gar kein Schmutz am Boden des Glases liegt, kann auch keine Störung, egal welcher Art, das Wasser trüben. Der Geist eines Arahant ist so rein. Er/sie lebt völlig unberührt von den verlockensten Sinnesobjekten und startet keine Sankalpita Rāga bzw. Kāma Assada. Natürlich ist er trotzdem gutem/schlechtem Kamma Vipāka ausgesetzt.

10. Nun könnte jemand sagen, „je mehr Sankalpita Rāga ich mache, umso besser. Ich habe nichts dagegen, wenn der Geist viele Assada erzeugt, denn ich genieße so gern“.

  • Wir müssen hier die Adīnava  (schlechten Folgen) solcher Assada betrachten. Das Problem ist, dass wir beim Genuss von Kama Assada (Abhi)Sankhara erzeugen. Sie führen zu zukünftigem Leiden über den akusala-mula PS-Zyklus. Das haben wir schon in unzähligen Geburten zuvor getan und es hält uns an Sansara gebunden.

11. Das zukünftige Leiden kann in diesem Leben oder in einem zukünftigen Leben auftauchen. Es kann sich auf verschiedenen Ebenen in Abhängigkeit von der „Stärke der Kāma Assadamaterialisieren.

  • Beginnen wir mit der extremsten Ebene. Man sagt sich vielleicht: „Ich muss das haben und werde alles tun, um es zu bekommen“. Mit einer solchen Einstellung kann man töten, stehlen, sich sexuell falsch verhalten, lügen oder jede Art von unmoralischen Handlungen mit einem „betrunkenen Geist“ ausführen. Man handelt mit Kamaccanda.
  • Natürlich ergeben sich viele schlechte Folgen. Man könnte gefasst werden und ins Gefängnis gehen. Auch sonst wird man ständig unter Stress stehen und sich Gedanken machen.
  • Aber stärkere Adinava folgen in zukünftigen Leben, mit Zinsen. So kann eine normale moralische Person die Adīnava in starken Kāma Assada erkennen.
  • Durch die Kontemplation über Adīnava wird es einfacher für den Geist, solche Handlungen automatisch abzulehnen. Das ist Nissarana. Durch das Verständnis der Folgen vermeidet man solche Handlungen.

12. Auf der nächsten Ebene handeln wir nicht unmoralisch mit dem Körper oder der Sprache (also keine akusala Kaya und laut gesprochene Vaci Sankhara), akkumulieren aber noch Vaci Sankhara, indem wir im Stillen darüber nachdenken. Das ist aber auch Teil der Dasa Akusala:  Abhijjā  (Gier),  Vyāpada (Böswilligkeit, Hass) und Micca Ditthi (falsche Ansichten); siehe Zehn Unmoralische Taten (Dasa Akusala).

  • Das Problem mit Vaci Sankhara oder Kāma Assada ist, dass sie allein durch Willenskraft schwer zu kontrollieren sind. Sie sind bewusste Gedanken und Gedanken kommen sehr schnell. Kaya und laut ausgesprochene Vaci Sankhara brauchen mehr Zeit. Zum Beispiel könnte man versucht sein, jemanden zu schlagen, erkennt aber die schlechten Folgen und stoppt. Man könnte im Begriff sein, etwas Schlechtes zu sagen, aber erkennt es vorher und stoppt. Die Fähigkeit, Sprache und körperliche Handlungen zu kontrollieren, hängt vom Niveau der Asava/Anusaya und vom „Auslöser“ (Arammana/Gedankenobjekt) ab.
  • Vaci Sankhara bzw. Kāma Assada erscheinen harmlos. Niemand sonst kann darüber wissen. Man könnte stundenlang Kāma Assada über ein Sinnesobjekt erzeugen und daraus Genuss ziehen. Aber das hat Konsequenzen.
  • Alle Kaya Sankhara und Vaci Sankhara starten als Mano Sankhara. So werden vielleicht Dasa Akusala bzgl. Sprache und körperlicher Taten vermieden, aber Kāma Assada würden bleiben.
  • Daher ist die Einhaltung der herkömmlichen fünf Gebote nicht ausreichend. Der schwierige Teil ist, den Gedankenstrom bzw. den Geist zu reinigen. Siehe Die fünf Gebote – Was der Buddha damit meinte.

13. Ein Schlüsselproblem mit Vaci Sankhara ist, dass sie zur Bildung von schlechten Gewohnheiten führen (Gathi), was wiederum neue Asava erschafft oder alte Asava stärkt. Siehe Gathi (Gati), Anusaya und Āsava.

  • Das kann ein Teufelskreis sein. In gewisser Weise ist dies das „Kreisen“ bzw. „riya“, was den Zyklus der Wiedergeburten trägt. Siehe Nibbāna – schwer zu verstehen?.
  • Auch wenn „nur gedachte“ akusala Vaci Sankhara (Abhijja, Vyapada, Micca Ditthi) harmlos scheinen, können sie doch zur Geburt in den Apaya führen.
  • Wie werden wir nun diese Kama Assada los? Dies war die Frage B in Nr. 6 oben. Dazu muss man die schlechten Gewohnheiten loswerden und gute Gewohnheiten pflegen. Das führt dann zur Veränderung der Asava/Anusaya. Damit verändern sich die automatischen Mano Sankhara bzw. schlechte Mano Sankhara verschwinden.
  • Die beste und dauerhafte Art und Weise die Asava zu verändern, besteht im Verstehen der Anicca-Natur dieser Welt. Wenn man erkennt, dass „nichts in dieser Welt auf lange Sicht zur Zufriedenheit aufrecht erhalten werden kann“, dann wird der Geist automatisch solche „Geist gemachten Vergnügen“ stoppen, denn darin liegt dann kein Nutzen mehr.

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