Anicca, Dukkha, Anatta – falsche Deutungen

überarbeitet 21.12.2020

Kein anderer Faktor hat in der Vergangenheit mehr dazu beigetragen, Nibbana viele hundert Jahre im Verborgenen versteckt zu halten als die falschen Deutungen von anicca als „Unbeständigkeit“ und anatta als „kein Selbst“. Falls Sie eine einzige Stelle im Pali Tipitaka finden (nicht die Übersetzungen), die anicca und anatta so beschreiben, lassen Sie es mich bitte wissen! Da gibt es nichts. Falls Sie englische bzw. deutsche Übersetzungen des Tipitaka nennen möchten, lesen Sie bitte zuerst den Abschnitt Fehldeutungen von Anicca und Anatta durch frühe europäische Gelehrte.

  • Ich betrachte diese Reihe von Texten zu anicca, dukkha, anatta als die Wichtigste auf der Website. 
  • Es wird gesagt, dass ein Buddha zu dieser Welt kommt, um drei Wörter und acht Buchstaben (in Pali) zu enthüllen: „attakkarā thīnapadā Sambuddhena pakāsithā, na hī sīla vatan hotu uppajjati Tathāgatā“, was bedeutet, „ein Buddha (Tathāgata) wird NICHT nur geboren um zu zeigen, wie man ein moralisches Leben lebt, sondern um der Welt 3 Worte mit 8 Buchstaben zu offenbaren“.
  • Diese drei Worte mit acht Buchstaben sind: anicca, dukkha, anatta. Wenn in Sinhala/Pali geschrieben: අනිච්ච දුක්ඛ අනත්ත aber mit den letzten beiden Buchstaben in jedem Begriff in der „alten Schrift“ kombiniert, um eins zu werden. So ist die Anzahl der Buchstaben 8 statt 11. Ich konnte nur අනත්‍ථ für අනත්ත ​​finden, aber man kann sehen, wie 4 Buchstaben zu 3 werden.
  • Das zeigt, wie wichtig diese drei Worte sind. Ein Buddha kommt in diese Welt, um die wahre Natur der Welt zu enthüllen. Das ist weit mehr als die meisten Religionen lehren.
  • Diese „drei Merkmale“ werden gleich in den ersten Sutta des Buddha erklärt.

Hier die 3 Merkmale korrekt ausgesprochen in Pali von Lal.

anicca

dukkha

anatta

1. Das sind die drei Merkmale „dieser Welt“. Der Buddha sagte, wenn man die wahre Natur „dieser Welt“, wie in diesen drei Worten kodifiziert, wirklich begreift, dann würde man den Stromeintritt (Sotapanna) erreichen.

2. Daher ist ein gutes Verständnis der Worte anicca, dukkha, anatta kritisch. Wenn man an einer falschen Interpretation haftet, egal wie viel Aufwand man betreibt, gibt es keine Möglichkeit, die Sotapanna-Stufe zu erreichen. Diese drei Wörter werden gewöhnlich auch in den meisten Theravada-Texten als „Unbeständigkeit“, „Leiden“ und „ohne-Selbst“ oder „Nicht-Selbst“ interpretiert.

  • Wie wir aber sehen werden, sind die richtigen Bedeutungen: Es gibt nichts in dieser Welt, was zur Zufriedenheit bewahrt werden kann, deshalb besteht das Leiden, und daher gibt es nichts in dieser Welt von Wert. Dauerhaftes Glück wird durch Stoppen des Wiedergeburtsprozesses erreicht.

3. Das Pali-Wort für „unbeständig“ ist NICHT anicca, es ist adduwan oder aniyatan. Zum Beispiel bedeutet „Jeevitan aniyatam, maranan niyatam.“ bzw. „Das Leben ist unbeständig, der Tod ist gewiss.“

adduwan jeevitam, duwan maranan“ bedeutet dasselbe.

  • Darum liegt der Fehler in der falschen Übersetzung des ursprünglichen Pali-Wortes anicca ins Sanskrit als „anitya„, was tatsächlich „unbeständig“ bedeutet.

4. Schauen wir nun auf den Schaden, der durch die Übersetzung des ursprünglichen Pali Wortes anatta als „anathma“ im Sanskrit angerichtet wurde.

  • So wie auch heutzutage gab es zwei entgegengesetzte Ansichten über die Vorstellung einer „Seele“ in der Zeit des Buddha. Ein Lager bestand darauf, dass es eine unveränderliche „Seele“ (athma) mit einem Wesen verbunden gibt. Dieses Lager entspricht also den großen Religionen der Welt heute mit dem Konzept, dass die Seele nach dem Tod in den Himmel oder in die Hölle geht.
  • Das gegnerische Lager argumentierte, dass es „keine Seele“ gibt (anathma) und damit nichts den Tod überlebt. Dieses Lager entspricht den materialistischen Wissenschaftlern/Zeitgenossen heute, die glauben, dass unser Geist aus der Materie hervorgeht und somit gibt es nichts, was den Tod überlebt.
  • Der Buddha sagte, beides ist falsch. Es gibt NICHTS, was dauerhaft mit einem Lebewesen verbunden ist: sowohl der Geist als auch der Körper sind in ständigem Fluss (siehe Die große vereinheitlichte Theorie). Er lehnte das Konzept einer „Seele“ ab. Auf der anderen Seite gibt es Kontinuität nach dem Tod, und zwar auf der Basis von Ursache-und-Wirkung. So ist es auch nicht richtig zu sagen, dass es „keine-Seele“ gibt und dass der Tod das Ende eines Lebewesens ist. Das neue Wesen ist eine Fortsetzung des alten Wesens, so wie ein alter Mann eine Fortsetzung des Prozesses seit dem Babyalter ist. Es gibt Veränderung in jedem MOMENT, aber es basiert auf Ursache-und-Wirkung. Das „Neue“ hängt vom „Alten“ ab.

5. Im Samyutta Nikaya (Anicca Vagga), darunter Ajjhattanicca Sutta, Bahiranicca Sutta und Yadanicca Sutta stellte der Buddha fest, dass die drei Merkmale dieser „Welt“ miteinander verknüpft sind:

Yadaniccam tan dukkham, yan dukkham tadanatta“ („yad aniccam tan dukkham, yan dukkham tad anatta„),

Übersetzt: „Wenn etwas anicca ist, entsteht dukkha, wenn etwas dukkha ist, ist es auch anatta„.

6. Nun wollen wir sehen, was passiert, wenn wir anicca als „unbeständig“ annehmen und anatta als „kein Selbst“. Dann liest sich der obige Vers: „Wenn etwas unbeständig ist, entsteht Leiden und darum wird man/hat man kein-Selbst“.

  • Viele Menschen nehmen einfach den physischen Körper und sagen, weil der Körper unbeständig ist, entsteht Leiden. Aber die oben erwähnten Sutta beschreiben dies für alle sechs inneren Sinne (in der Ajjhattanicca – Ajjhatta Anicca – Sutta) und für alles Äußere, was von den sechs Sinnen wahrgenommen wird (in der BahiraniccaBahira Anicca – Sutta), d.h. dieser Satz gilt für alles „in dieser Welt“.
  • Wenn also ein Kopfschmerz unbeständig ist, ist es sinnlos zu sagen, dass es kein Selbst hat oder ist.
  • Aber es gibt viele Dinge in der Welt, die zum Glück führen könnten, wenn sie dauerhaft wären: Gesundheit, Reichtum, Verbindung zu geliebten Menschen, Trennung von unliebsamen Zeitgenossen, usw.
  • Wie wir im nächsten Text sehen (anicca – wahre Bedeutung), gilt die richtige Übersetzung für jeden Fall.

7. Das Gegenteil der obigen Aussage muss auch wahr sein (in der mathematischen Logik ist das im Allgemeinen nicht richtig, aber in diesem Fall kann man es als richtig beweisen). Grundsätzlich gilt das nur mit der Annahme, dass dukkha nur von nicca oder anicca abhängt und von keinem anderen Faktor.

Wenn wir die falschen Deutungen annehmen, heißt es:

„Wenn etwas dauerhaft ist, entsteht kein Leiden, und darum bedeutet es ein „Selbst“ (oder hat ein „Selbst“).

  • Wenn jemand ständig Kopfschmerzen oder eine Krankheit hat, wie kann das verhindern, dass Leiden entsteht? Und in welchem Sinne entsteht ein „Selbst“?
  • Es gibt viele Dinge in dieser Welt, die zu Leid führen, wenn sie dauerhaft werden: Krankheit, Armut, Verbindung mit unliebsamen Zeitgenossen, usw.

Hiermit können wir deutlich sehen, dass anicca und anatta nicht als „unbeständig“ und „kein-Selbst“ übersetzt werden können. Wenn wir aber die richtige Übersetzung nehmen, können wir zeigen, dass die umgekehrte Aussage auch gilt, wie wir im Folgenden sehen.

8. Beständigkeit/Vergänglichkeit sind EIGENSCHAFTEN von „Dingen“ (Lebewesen und physische Dinge) oder „Ereignisse“. Auf der anderen Seite sind nicca/anicca Wahrnehmungen des Geistes über diese „Dinge“ und „Ereignisse“ in dieser Welt.

  • Wir können auf lange Sicht nichts zu unserer Zufriedenheit bewahren (einschließlich „unseres“ Körpers) und das ist anicca. Darum werden wir verzweifelt und das ist dukkha. Und da wir diese Sequenz von Ereignissen nicht verhindern können, sind wir auf lange Sicht wirklich hilflos, und nichts hat irgendeine wirkliche Substanz; das ist anatta.

Hier zeigt sich das Konzept von anicca im Video:

You Tube – Alterung (engl.)

  • Wir müssen erkennen, dass wir alle diese unvermeidliche Veränderung durchmachen werden, wenn wir alt werden. Egal wie hart wir kämpfen, es ist nicht möglich, ALLES zu unserer Zufriedenheit zu bewahren. Es ist die Natur „dieser Welt“: anicca.
  • Natürlich wird jeder dieser Prominenten (oder ihre Fans) traurig sein, den Vergleich zu sehen: sie waren nicht in der Lage, ihre Körper zu ihrer Zufriedenheit zu erhalten. Jedoch könnte eine Person, die in Feindschaft zu irgendeiner dieser Berühmtheiten steht, glücklich sein, das Bild des Niedergangs sehen.
  • „Unbeständigkeit“ ist etwas unvermeidliches; es ist eine Eigenschaft von allem in dieser Welt. Aber anicca ist eine Wahrnehmung im Geist und diese Wahrnehmung kann verändert werden. So kriegt man das Leiden los.
  • Im obigen Fall sind die Körper von Berühmtheiten unbeständig, aber das muss nicht zwangsläufig zu Leid führen. Es verursacht nur denen Leid, die es nicht ertragen können.
  • Unbeständigkeit ist eine Tatsache. Aber die Unbeständigkeit ist NICHT die BEDEUTUNG von Anicca.
  • Diese Bilder liefern die visuelle Wirkung, die wir normalerweise nicht wahrnehmen. Wir sehen keine Veränderungen in uns selbst, weil die Veränderung nur allmählich geschieht.
  • Ein Buddha wird nicht gebraucht, um die Unbeständigkeit als ein inhärentes Merkmal unseres Universums zu offenbaren. Die Wissenschaftler sind sich der Unbeständigkeit bewusst, aber sie haben Nibbana nicht erreicht. Anicca ist ein tiefes Konzept, das in vielerlei Hinsicht beschrieben werden kann, und sie sind alle verwandt.

10. Schließlich hat der Buddha gesagt: „sabbe dhamma anatta„. Mit anatta als „kein Selbst“ würde das heißen „Alles Dhamma ist ohne Selbst“. Ergibt das Sinn? Dhamma schließt alles ein, auch leblose Dinge. Ist es sinnvoll zu sagen: „Ein Baum hat kein Selbst“ oder „Ein Berg hat kein Selbst“? Auf der anderen Seite ist letztlich nichts in dieser Welt von echter Substanz. Alles kommt und geht. Man kann sich an nichts festhalten und damit ist man hilflos und ohne (dauerhafte) Kontrolle (anatta).

Mögliche historische Gründe für falsche Übersetzungen

1. Wenn man betrachtet, wie Buddha Dhamma seit der Zeit des Buddha übertragen wurde, ist es möglich, mögliche Ursprünge falscher Übersetzungen zu sehen.

  • Für etwa 500 Jahre nach dem Parinibbana des Buddha wurde der Pali Tipitaka mündlich von Generation zu Generation der Bhikkhu weitergegeben. Es war für die einfache mündliche Übertragung gedacht.

2. Dann wurde es zum ersten Mal im Jahr 29 v.Chr. in Sri Lanka in singhalesischer Schrift niedergeschrieben. Pali ist eine phonetische Sprache, die kein eigenes Alphabet hat.

  • Der Tipitaka wurde nie in eine andere Sprache übersetzt, bis die Europäer Ende des 17. Jahrhunderts den „Buddhismus“ entdeckten.
  • Bis zum Jahr 2005 wurde der Tipitaka nicht einmal in die singhalesische Sprache übersetzt.

3. Als Rhys Davis und andere die englischen Übersetzungen begannen, wurden sie von Sanskrit Mahayana Sutras stark beeinflusst, ebenso von der vedischen Literatur. Als die Europäer begannen, all diese verschiedenen Pali– und Sanskrit-Dokumente zu durchforsten, müssen sie von deren Komplexität überwältigt gewesen sein.

  • Es dauerte einige Zeit, um den Buddhismus vom Hinduismus zu trennen, und dabei wurden einige Konzepte verwechselt.
  • Zum Beispiel nahmen sie an, dass „anatta“ dasselbe sei wie „anäthma„, was ein Sanskrit-Wort ist, aber mit einer anderen Bedeutung, nämlich „kein Selbst“. Ebenso nahmen sie „anicca„, und deuteten es als das (ähnliche) Sanskrit-Wort „anitya„, was „unbeständig“ bedeutet.

4. Das Schlimmste war, dass auch zeitgenössische singhalesische Gelehrte wie Malasekara (die Doktorandin von Rhys Davis war), den Buddhismus von den Europäern gelernt und damit falsche Interpretationen begonnen hatten. Andere singhalesische Gelehrte wie Kalupahana und Jayathilake lernten auch „Buddhismus“ an Universitäten in Großbritannien.

  • Nach den Originalübersetzungen von Rhys Davis schrieben Eugene Burnouf, Olcott und auch singhalesische Gelehrte Bücher in englischer und singhalesischer Sprache. Natürlich taten das die Gelehrten in anderen buddhistischen Ländern auch in ihren Sprachen und verbreiteten damit die falschen Interpretationen über die ganze Welt.
  • Um dieses gravierende Problem zu korrigieren, müssen wir wieder zum Tipitaka in Pali zurückkehren und dort den Prozess starten.
  • Pali Sutta sind nicht dazu bestimmt, Wort-für-Wort übersetzt zu werden. Die meisten Sutta sind verdichtet geschrieben und im Stil förderlich für einfache mündliche Übertragung. Um die Schlüsselbegriffe im Tipitaka zu erklären, wurden in singhalesisch Kommentare geschrieben und nur drei dieser ursprünglichen Kommentare haben überlebt. Wir müssen uns auf diese drei verlassen: Patisambhidamagga, Petakopadesa, Nettippakarana.
  • Stattdessen verlassen sich die meisten Menschen auf (falsche) Kommentare, die später geschrieben wurden, besonders Buddhaghosas Visuddhimagga. Es muss beachtet werden, dass Buddhaghosa die Bedeutungen der Wörter anicca, dukkha, anatta nicht änderte (das ist wahrscheinlich in neuerer Zeiten passiert, wie oben erklärt). Aber er hat viele andere hinduistische Konzepte wie Atemmeditation und Kasina-Meditation aufgenommen.

5. Drucktechnik im industriellen Maßstab wurde erst in den 1800er Jahren üblich.

  • In den frühen Tagen wurde der Tipitaka auf speziell vorbereitete Blätter geschrieben und musste alle 100 bis 200 Jahre von Hand umgeschrieben werden, bevor sie zerfielen. Also müssen wir den Bhikkhu in Sri Lanka dankbar sein, die dies seit fast 2000 Jahren pflichtbewusst taten.
  • So wurde die Massenproduktion von Büchern nur mit den neuen Druckmaschinen möglich, die ab den 1800er Jahren herauskamen. Zu diesem Zeitpunkt waren Schlüsselbegriffe falsch übersetzt worden.

6. Wenn man interessiert ist, die „Abkühlung“ zu erleben, muss man Buddha-Dhamma entweder von einem Buddha oder einem wahren Jünger des Buddha lernen, d.h. mindestens von einem Sotapanna (einer, der  die „Abkühlung“ kennt).

7. Ich kam auf ein anderes Problem in einem Online-Forum. Die Menschen diskutieren über die Bedeutungen von Worten anatta und anattha (was auch als „anaththa“ geschrieben werden könnte). Der Schlüssel liegt darin es richtig auszusprechen (wie in der Audiodatei oben). In dem Sinne sollte es wirklich als „anaththa“ geschrieben werden, aber das braucht viele Buchstaben.

  • Die Meisten schreiben es als „anatta„. Es spielt keine Rolle, wie man es schreibt, solange man die Bedeutung versteht: „ohne Zuflucht“, „ohne Sustanz“, „hilflos“, jedoch nicht als „kein Selbst“.

8. Der Schlüssel zur Lösung dieses Nicht-Problems liegt darin zu verstehen, wie diese Worte entstanden sind. Wie oben gesagt wurde der Tipitaka in Pali niedergeschrieben, aber mit singhalesischer Schrift. Das obige Wort „anatta“ wurde als අනත්ත geschrieben. Manchmal ist es auch als අනත්ථ geschrieben, aber beide bedeuten das gleiche.

  • Ähnlich, wenn das Pali-Wort, was in Sinhala als අනත්ත geschrieben wird, mit dem englischen Alphabet geschrieben wird, kann es als anatta, anattha oder anaththa geschrieben werden. Alle drei bedeuten dasselbe, genau wie අනත්ත oder අනත්ථ das gleiche meint. Das ist ein wichtiger Punkt zum Nachdenken. Heute bleiben Menschen in diesem Nicht-Problem stecken.

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