1. „Imasmim sati idam hōti, imassa uppādā idam uppajjati; imasmim asati idam na hōti, imassa nirōdhā idam nirujjhatī ti“. Dies ist ein berühmter Satz, der in vielen Suttas erscheint, die Paticca Samuppada beschreiben.
- Es wird in der Regel übersetzt als „Wenn das ist, dann ist/wird das. Mit dem Entstehen von diesem, entsteht das. Wenn das nicht ist, ist/wird das nicht. Mit dem Vergehen von diesem, vergeht das“. Das klingt wie ein Zen-Rätsel!
- Aber der Buddha lehrte sein Dhamma nicht in Rätseln. Er offenbarte es immer auf möglichst einfache Art und Weise. Einige Verse sind zu Rätseln mutiert, weil die Menschen es falsch übersetzt haben, denn die wahre Bedeutung oder die Bedeutung von Schlüssel-Pāli-Wörtern ging verloren.
- Ein anderes Beispiel ist Anidassana Viññāṇa – Bedeutung.
2. Das Schlüsselwort in diesem Vers ist Sati. Alle Übersetzungen, die ich kenne, haben dieses Schlüsselwort ausgelassen!
- Sati ist ein Sobhana Cetasika, d.h. ein „schöner“ mentaler Faktor. Sati Cetasika kultiviert man durch Lernen des Dhamma und schließlich Verstehen der Tilakkhana.
- Jedoch hat das Sati Cetasika kein Gegenstück bei den Asōbhana Cetasika, also kein Asati Cetasika.
- Im Vers werden aber Sati und Asati genannt. Deshalb bezieht sich Sati in diesem Vers nicht auf das Sati Cetasika.
3. Das Wort „sati“ in „imasmim sati idam hōti, ..“ steht jedoch nach wie vor eng mit dem Geist in Verbindung. Es bedeutet in diesem Zusammenhang, „den Geist auf etwas (X) zu konzentrieren“. Dann führt dieses „etwas“ zur Schaffung von „etwas anderem“ (Y). Obwohl X IMMER geistig ist, kann Y geistig (nāma) oder materiell (rūpa) oder eine Kombination aus beiden (nāmarūpa) sein.
- Wenn der Geist auf etwas angesetzt wird, erzeugt er passende Vaci und Kaya Sankhara, d.h. man denkt darüber nach und handelt entsprechend. Das ist mit Sati im obigen Vers gemeint.
- Wenn sich der Geist hingegen nicht auf eine Sache fokussiert (keine Vaci und Kaya Sankhara), ist es Asati. In diesem Fall ergibt sich kein Y aus X.
- Sankhara sind nur der erste Schritt in einer Reihe von PS-Schritten. Der Geist kann auf gute oder schlechte Dinge fokussiert werden. Man sollte Sati auf gute Dinge richten und Asati auf schlechte Dinge. Das wird gute Dinge hervorrufen und schlechte Dinge vermeiden. Dies ist der Schlüssel zur wahren Bedeutung des Verses.
4. Den Geist (mit Sati) auf „gute Dinge“ ausrichten und weg (mit Asati) von „schlechten Dingen“ ist der Schlüssel zur buddhistischen Meditation.
- Wir kennen die Bedeutung von Satipatthana und Anapanasati. Beide basieren auf Sati für „gute Dinge“ und Asati für „schlechte Dinge“. Das ist buddhistische Meditation. Konsequent geübt, führt das im Laufe der Zeit zu Samma Sati (bzw. den Geist beständig auf gute Dinge ausgerichtet) und dann zu Samma Samādhi, was den edlen Pfad vollendet.
- Aber man muss wissen, was gut und was schlecht ist, bevor man sich fokussiert. Schlecht sind die Dasa Akusala und gut sind die Dasa Kusala.
5. Nun können wir die erste Vershälfte verstehen: „Imasmim sati idam hōti, imasmim asati idam na hōti…“. Das bedeutet, „wenn der Geist auf X fokussiert ist, wird Y entstehen, wenn der Geist nicht auf X fokussiert ist, wird Y nicht entstehen“.
- Jetzt fehlt noch die Bedeutung von „imassa uppādā idam uppajjati“ und „imassa nirodha idam nirujjhatī“.
- Dieser Teil besagt, dass das, was letztlich entsteht (uppajjati), aus dem entsteht, was zuvor im Geist entstanden ist (uppādā), UND für das, was nicht entsteht (nirujjhatī), sind keine Ursachen im Geist vorhanden (nirodha).
- Jetzt haben wir den ganzen Vers zusammen: „Wenn der Geist auf etwas fokussiert wird, wird etwas anderes daraus entstehen, wenn der Geist nicht auf etwas fokussiert wird, wird nichts daraus entstehen. Dieses Entstehen im Geist (uppādā) wird Ursache für das Entstehen von etwas anderem (uppajjati), das Nicht-Entstehen im Geist (nirodha), verhindert das Entstehen des anderen (nirujjhatī)“.
- In sehr einfachen Worten beschreibt dies die zentrale Botschaft des Buddhas: Wenn man keine Verunreinigungen im Geist erzeugt, wird man nicht in dieser Leid erfüllten Welt wiedergeboren.
6. Wie alles in dieser Welt dem Geist als „Schöpfer“ entspringt, wird in der Lehre von Ursache und Wirkung erklärt, d.h. Paticca Samuppada.
- Obwohl der Prozess mit dem Erzeugen von Sankhara beginnt (Avijja paccayā Sankhara), sind doch auch weitere Schritte involviert (Sankhara paccayā Viññāṇa… etc.), bevor sich das Ergebnis ergibt. Daher erscheint dieser Vers in vielen Suttas, wo die PS-Schritte genannt werden.
7. Das oben Gesagte wird in der Ariyasāvaka Sutta (SN 12.49) klar. Es beginnt mit der Aussage: „Na, bhikkhave, sutavato ariyasāvakassa evaṃ hōti: ‘kiṃ nu kho—kismiṃ sati kiṃ hōti, kissuppādā kiṃ uppajjati? Kismiṃ sati saṅkhārā honti, kismiṃ sati viññāṇaṃ hōti, kismiṃ sati nāmarūpaṃ hōti, kismiṃ sati saḷāyatanaṃ hōti, kismiṃ sati phasso hōti, kismiṃ sati vedanā hōti, kismiṃ sati taṇhā hōti, kismiṃ sati upādānaṃ hōti, kismiṃ sati bhavo hōti, kismiṃ sati jāti hōti, kismiṃ sati jarāmaraṇaṃ hotī’ti?“.
Übersetzt: „ Bhikkhus, ein edler Schüler ist nicht verwirrt bei der Frage: ‚Was im Geist wird eine Ursache? Mit der Existenz von was im Geist wird was entstehen? Was im Geist wird eine Ursache für Sankhara? Was im Geist wird eine Ursache für Viññāṇa? Was im Geist wird eine Ursache für Nāmarūpa? … Was im Geist wird eine Ursache für Jarāmaraṇa?“.
8. Der nächste Vers: „Atha kho, bhikkhave, sutavato ariyasāvakassa aparappaccayā ñāṇamevettha hōti: ‘imasmiṃ sati idaṃ hōti, imassuppādā idaṃ uppajjati. Avijjāya sati saṅkhārā honti; saṅkhāresu sati viññāṇaṃ hōti; viññāṇe sati nāmarūpaṃ hōti; nāmarūpe sati saḷāyatanaṃ hōti; saḷāyatane sati phasso hōti; phasse sati vedanā hōti; vedanāya sati taṇhā hōti; taṇhāya sati upādānaṃ hōti; upādāne sati bhavo hōti; bhave sati jāti hōti; jātiyā sati jarāmaraṇaṃ hotī’ti. So evaṃ pajānāti: ‘evamayaṃ loko samudayatī’ti„.
Übersetzt: „Bhikkhus, der edle Schüler weiß, was entsteht, ist davon abhängig, was im Geist kultiviert wird: ‚Wenn dieses im Geist existiert, wird das entstehen. Mit dem Entstehen von diesem im Geist, wird jenes entstehen. Mit Unwissenheit im Geist (avijjāya sati) entstehen Sankhara (sankhara honti). Wenn Sankhara im Geist sind (saṅkhāresu sati), wird Viññāṇa entstehen (viññāṇaṃ hoti). Wenn Viññāṇa im Geist ist (viññāṇe sati), wird Nāmarūpa entstehen (nāmarūpaṃ honti), …. Wenn Bhava im Geist ist (bhave sati), wird Jati entstehen (jati hoti). Wenn Jati im Geist ist (jatiya sati), wird Jarāmaraṇa entstehen (jarāmaraṇaṃ hoti). Somit versteht er: ‚Auf diese Weise entsteht die Welt (samudaya)‘.“
9. Der nächste Vers lautet: „Na, bhikkhave, sutavato ariyasāvakassa evaṃ hōti: ‘kiṃ nu kho—kismiṃ asati kiṃ na hōti, kissa nirōdhā kiṃ nirujjhati? Kismiṃ asati saṅkhārā na honti, kismiṃ asati viññāṇaṃ na hōti, kismiṃ asati nāmarūpaṃ na hōti, kismiṃ asati saḷāyatanaṃ na hōti, kismiṃ asati phasso na hōti, kismiṃ asati vedanā na hōti, kismiṃ asati taṇhā na hōti, kismiṃ asati upādānaṃ na hōti, kismiṃ asati bhavo na hōti, kismiṃ asati jāti na hōti, kismiṃ asati jarāmaraṇaṃ na hotī’ti?“.
Übersetzt: „Bhikkhus, ein edler Schüler ist nicht verwirrt bei der Frage: ‚Abwesenheit von was im Geist wäre keine Ursache? Mit dem Aufhören von was im Geist wird was aufhören zu entstehen? Mit Abwesenheit von was im Geist (kismiṃ asati) würden Sankhara nicht entstehen (na honti)? Mit Abwesenheit von was im Geist würde Viññāṇa nicht entstehen? ..Mit Abwesenheit von was im Geist würde Nāmarūpa nicht entstehen? … Mit Abwesenheit von was im Geist würde Jarāmaraṇa nicht entstehen?“.
10. Und dann: „Atha kho, bhikkhave, sutavato ariyasāvakassa aparappaccayā ñāṇamevettha hōti: ‘imasmiṃ asati idaṃ na hōti, imassa nirōdhā idaṃ nirujjhati. Avijjāya asati saṅkhārā na honti; saṅkhāresu asati viññāṇaṃ na hōti; viññāṇe asati nāmarūpaṃ na hōti; nāmarūpe asati saḷāyatanaṃ na hōti … pe … bhavo na hōti … jāti na hōti … jātiyā asati jarāmaraṇaṃ na hotī’ti. So evaṃ pajānāti: ‘evamayaṃ loko nirujjhatī’ti.“
Übersetzt: „Bhikkhus, der edle Schüler weiß, was entsteht, ist davon abhängig, was im Geist kultiviert wird: ‚Wenn dieses im Geist nicht existiert, wird das nicht entstehen. Wenn dieses aufhört im Geist zu entstehen, wird jenes nicht entstehen. Wenn keine Unwissenheit im Geist ist (avijjāya asati), werden keine Sankhara entstehen (sankhara na honti) . Wenn Sankhara aufhören im Geist zu entstehen (saṅkhāresu asati), wird kein Viññāṇa entstehen (viññāṇaṃ na hoti). Wenn Viññāṇa aufhören im Geist zu entstehen (viññāṇe asati), werden keine Nāmarūpa entstehen (nāmarūpaṃ na honti) , …. Wenn Bhava im Geist abwesend ist (bhave asati), wird Jati nicht entstehen (jati na hoti). Wenn kein Jati im Geist entsteht (jatiya asati), wird Jarāmaraṇa nicht entstehen (jarāmaraṇaṃ na hoti). Somit versteht er: ‚Auf diese Weise vergeht die Welt (nirujjhatī), und damit endet das samsarische Leiden.‘
11. Schließlich „Yato kho, bhikkhave, ariyasāvako evaṃ lokassa samudayañca atthaṅgamañca yathābhūtaṃ pajānāti, ayaṃ vuccati, bhikkhave, ariyasāvako diṭṭhisampanno itipi … pe … amatadvāraṃ āhacca tiṭṭhati itipī’ti.“
Übersetzt: „Bhikkhus, somit versteht ein edler Schüler den Ursprung und das Ende der Welt. Er kennt die wahre Natur dieser Welt, hat die richtige Sichtweise und wird Nibbàna erreichen“.
12. Das ist die komplette Sutta und ergibt die Grundlage für Paticca Samuppada.
- Wichtig zu erkennen ist, dass der Geist in allen Schritten von Paticca Samuppada beteiligt ist, bis hin zu Jati. Wenn Jati erreicht wird, ist der Prozess abgeschlossen. Das Jati entwickelt sich natürlich bis zum Ende (Verfall, Leiden, Depression, Klagen, …Tod).