Vier Edle Wahrheiten: Rezept zur Problemlösung

1. Wenn man ein Problem lösen will, gibt es vier Schritte:

  • Man muss wissen, was das Problem ist, oder sogar erkennen, dass es ein Problem gibt.
  • Man muss die Ursache für das Problem finden (einige können oberflächliche Ursachen sein, aber es gibt Grundursachen).
  • Man muss wissen, welches Ergebnis durch Lösen des Problems zu erwarten ist (je nach Ansatz können viele mögliche Ergebnisse vorliegen).
  • Man muss ein Verfahren zur systematischen Lösung des Problems basierend auf den Ursachen finden.

2. Schauen wir auf einige Beispiele. Wenn ein Auto nicht anspringt, ist die Ursache möglicherweise nicht eindeutig für jemanden ohne technischen Hintergrund. Aber ein qualifizierter Techniker wird in der Lage sein, die Ursache schnell zu finden.

  • Er kann feststellen, dass es ein einfaches Problem wie lose Drähte im Zündkreislauf ist oder dass es ein Problem mit dem Motor selbst sein kann.
  • Die Lösung des Problems wird dazu führen, dass sich das Auto starten lässt.
  • Der Weg dorthin hängt vom eigentlichen Problem ab und durchläuft die Standardverfahren, um das Problem zu lösen. Wenn das Problem in einem lockeren Zündkabel besteht, könnte man das lose Kabel wieder anschließen oder ersetzen. Wenn es sich um einen ausgefallenen Motor handelt, könnte man entweder den Motor ersetzen oder bei einem kleinen Problem den Motor reparieren.

3. Manchmal ist die Ursache nicht offensichtlich oder man sieht nicht mal ein Problem. Wenn man Kopfschmerzen bekommt, wird man meist einfach eine Tablette (Aspirin) einnehmen und das würde das Problem beheben.

  • Aber wenn die Kopfschmerzen wiederkommen, kann man eine ernstere Ursache vermuten. Jetzt müssen wir herausfinden, warum sich die Kopfschmerzen häufen. Zunächst sucht man einfache Lösungen. Stehen bspw. die Kopfschmerzen mit einer bestimmte Art von Essen im Zusammenhang, kann man dieses Essen meiden.
  • Lässt sich jedoch keine klare Ursache feststellen, geht man zum Spezialisten, in diesem Fall zu einem Arzt. Der Arzt wird eine Reihe Fragen stellen und Tests durchführen. Ziel ist die Hauptursache für die Kopfschmerzen herauszufinden. Das Endergebnis der Problemlösung ist einfach: frei von Kopfschmerzen zu sein. Aber bei wiederkehrenden Kopfschmerzen ist die Einnahme von Aspirin keine Dauerlösung.
  • In Abhängigkeit vom Ergebnis der Diagnose kann der Arzt die Ursache für die Erkrankung finden, z.B. einen Tumor. Dann muss dieser Krebs behandelt werden. Er wird eine Behandlungsmethode verschreiben. Wenn diese Ursache entfernt wird, wäre man die wiederkehrenden Kopfschmerzen los.
  • Der korrekte Weg ein Problem zu lösen, besteht also aus vier Schritten: das Problem identifizieren, die Ursachen ermitteln, das gewollte Endergebnis bestimmen und die beste Vorgehensweise zur  Behandlung festlegen.

4. Aber oft, wenn ein Problem auftritt, tun wir nur das Einfachste, um das Thema schnell loszuwerden. Wenn die Kopfschmerzen während des Tages verschwinden, kann man sich entscheiden, einfach ein Aspirin zu nehmen und es Tag für Tag so zu handhaben.

  • Dann sagt der Partner vielleicht: „Du nimmst seit Wochen Aspirin. Warum gehst du nicht zum Arzt und lässt prüfen, was da los ist?“. Falls sich ein Tumor entwickelt, kann die Verschiebung der Diagnose ein schwerwiegender Fehler sein. Eine Krebszelle vermehrt sich schnell und der Tumor kann sich auf andere Körperbereiche ausbreiten.
  • Auch wenn man durch Aspirin täglich eine vorübergehende Erleichterung bekommt (möglicherweise mit schrittweiser Erhöhung der Dosis), ist das NICHT die Lösung. Auf kurze Sicht kann das Ergebnis vorübergehende Erleichterung sein, aber man geht vielleicht ein viel größeres Risiko ein. Die ideale Lösung für das Problem ist aber, sich vom Krebs zu befreien!

5. Wir können viele Probleme selbst lösen, indem wir dem obigen 4-Stufen-Prozess folgen. Möglicherweise benötigen wir einen qualifizierten Techniker, um Ursachen von Autoproblemen zu ermitteln oder wir benötigen Hilfe vom Arzt, um Ursachen für Beschwerden zu diagnostizieren.

6. Die vier edlen Wahrheiten behandeln das kritischste Problem überhaupt: das mit Existenz verbundene Leiden.

  • Erstens sind sich die Meisten von uns nicht einmal bewusst, dass es ein Problem gibt. Wenn man nicht sieht, dass es einen Wiedergeburtsprozess gibt und dass die meisten Wiedergeburten unvorstellbares Leid bringen, gibt es keine Möglichkeit zur Problemerkennung.
  • Dieses Problem der Existenz kann nur vom tief gereinigten Geist eines Buddhas erkannt werden. Und der Buddha fand die Grundursachen. Dauerhaftes Glück (Nibbana) ist das Ergebnis der Beseitigung dieser Ursachen. Die Vorgehensweise dazu lieferte er auch (den edlen achtfachen Pfad).
  • Man kann auch vorübergehende Lösungen finden und nur oberflächliche Ursachen beheben. Genauso wie Kopfschmerzen durch Einnahme von Aspirin verschwinden, kann man im aktuellen Leben vorübergehendes Glück finden, indem man jedes auftretende Problem „behebt“ und Vorsichtsmaßnahmen ergreift, um Probleme zu vermeiden. Man kann sogar eine längerfristige Lösung finden, indem man auf bessere Geburten hinarbeitet. Aber beides sind nur temporäre Lösungen.

7. Es gibt also einen wichtigen Unterschied zwischen oberflächlichen Ursachen und Hauptursachen.

  • Hauptursachen heißen in Palimülika hetu„. Mula“ ist die „Wurzel“ (eines Baumes). Wenn ein Baum gefällt wird oder sogar wenn die Wurzeln nahe der Oberfläche entfernt werden, muss der Baum nicht tot sein. Er kann ggf. neu ausschlagen und schließlich zu einem vollwertigen Baum wachsen.
  • Wenn man jedoch die tiefen Wurzeln entfernt, wird der Baum dauerhaft absterben. In gleicher Weise wird das Problem durch Entfernen der Hauptursachen vollständig beseitigt.

8. In komplexen Situationen sind die Hauptursachen eines Problems nicht immer offensichtlich. Das bedeutet, dass die ideale Lösung möglicherweise nicht erkannt wird.

  • Wenn dies geschieht, wächst das Problem und kann ab einem gewissen Punkt nicht mehr lösbar sein. Im oben genannten Fall der ignorierten Kopfschmerzen kann sich der Krebs ausbreiten und ist möglichweise nicht mehr behandelbar.

9. Bei vorhersehbaren Problemen, müssen wir nicht warten, bis sie eintreten. Zum Beispiel sagen Eltern ihren Kindern, dass sie eine gute Ausbildung und dann eine gute Arbeit bekommen müssen, um später nicht in Armut zu leben. In diesem Fall ist die Lösung eine gute Ausbildung und ein ausreichend bezahlter Job.

  • Aber eine gute Arbeit löst nicht alle Probleme: Ein junger Mensch kann schwer erkranken oder den Job in einer unberechenbaren Situation verlieren. Auch hier gibt es in der weltlichen Realität keine perfekte Lösung. Man kann gesund leben, den Körper fit halten, Kranken-/Lebensversicherung erwerben usw.

10. Wir sollten diese Szenarien im Kopf durchspielen. Wir können leicht erkennen, dass der 4-Stufen-Prozess jedes Problem mit unterschiedlichem Erfolg lösen kann.

  • In all den Situationen ist es das Ziel immer, „Dinge zur eigenen Zufriedenheit zu erhalten“. Wir wollen gesund bleiben und Krankheit vermeiden. Und wir wollen unsere Habseligkeiten behalten und erhalten (Haus, Auto, Kleidung usw.).
  • Wenn wir dem 4-Stufen-Prozess folgen, können wir diverse Wünsche in gewissem Maß erfüllen. Wir können bestimmte Probleme vermeiden, indem wir gesund leben, trainieren, achtsam sind usw. Wir können ein Auto für lange Zeit erhalten, indem wir die erforderliche Wartung durchführen. Alle diese Aktivitäten erfordern Anstrengung und dies ist Teil des Leidens, das nicht offensichtlich ist (Sankhara Dukkha und Viparinama Dukkha). Ursache ist die Komplexität des Lebens. Man kann letztlich nur oberflächliche Ursachen angehen.
  • Schließlich werden wir nicht mehr in der Lage sein, den eigenen Körper zur Zufriedenheit zu erhalten. Egal wie gut wir planen, es kommt eine Zeit, in der unser Körper verfällt, auch wenn wir keine größeren Probleme wie Krebs oder Alzheimer haben. Dies ist Teil von Dukkha Dukkha.
  • Wenn wir aber den 4-Stufen-Prozess auch bei diesen gewöhnlichen Aufgaben ignorieren, werden die Probleme noch größer. Daher muss man zunächst sicherstellen, dass man die täglichen Aktivitäten beobachtet und anfallende Probleme analysiert und beseitigt.

11. Aber wir haben seit endlosen Zeiten diese oberflächlichen und leicht sichtbaren Ursachen bekämpft, Leben für Leben. Wir streben nur danach, „die Dinge zu unserer Zufriedenheit aufrechtzuerhalten“ und wir versagen jedesmal, spätestens am Ende des Lebens.

  • Meistens leiden wir beim Versuch, „die Dinge so zu handhaben, wie wir es wollen“. Während wir wenigstens kleine Erfolge haben, verfällt der Körper mit der Zeit und wir können nicht das genießen, was wir mit so viel Mühe aufgebaut haben.
  • Denken Sie  an Berühmtheiten, von denen man glaubt, dass sie ihre Lebensziele erreicht haben. Sie alle mussten ihre Errungenschaften in vielen Fällen bei einem tragischen Tod hinter sich lassen. Im neuen Leben werden diese Dinge sowieso nichts bedeuten. Sie müssen von vorne anfangen. Die einzigen Dinge, die auf das neue Leben übertragen werden, sind gute/schlechte Gewohnheiten (gathi) und Kamma-Samen, aber keine materiellen Dinge.

12. Wir realisieren nicht, dass es ein „Existenzproblem“ gibt, d.h. den ersten Schritt im 4-Stufen-Prozess. Da man den Wiedergeburtsprozess nicht so leicht sehen kann, konzentrieren sich die meisten auf dieses Leben.

  • Wir nehmen nur „Aspirin“, anstatt eine permanente Lösung für das „Problem unendlicher Kopfschmerzen“ zu finden.
  • Dies ist die erste edle Wahrheit, genannt Dukkha Sacca. Die Existenz in dieser Welt mit 31 Reichen ist mit Leiden erfüllt und es ist ein endloser Prozess. Aber er kann dauerhaft überwunden werden.

13. Wenn wir verstehen, wie dieser unaufhörliche Prozess den benötigten Brennstoff (für Wiedergeburt) bekommt, dann können wir durch Eliminierung dieser Ursachen das Problem des fortwährenden Leidens dauerhaft lösen.

  • Die Ursache des Leidens ist die zweite edle Wahrheit: Dukkha Samudaya Sacca (samudaya = san+udaya, mit udaya = „entstehen“) bzw. dass Wiedergeburt förderndes San die Ursache für Dukkha ist. Der Buddha analysierte diese Sache im Detail und stellte fest, dass es unsere Anhaftung (tanha) an „Dinge in dieser Welt“ durch Unwissenheit ist, dass „alles in dieser Welt nicht zu unserer Zufriedenheit beibehalten werden kann“ und damit anicca ist. Kurz gesagt, die Ursache für unser Leiden ist, die Anicca-Natur nicht wahrzunehmen (anicca sanna).
  • Anicca führt zu Dukkha (Leiden), und so wird man anatta (hilflos). Siehe Anatta und Dukkha – wahre Bedeutung.
  • Diese drei Eigenschaften nicht zu verstehen, nennt man Avijja bzw. Unwissenheit/Ignoranz.

14. Jetzt folgt der dritte Schritt: die Lösung des Problems mit Erreichen von Nibbana bzw. mit Stoppen des Wiedergeburtsprozesses. Dies ist wahrscheinlich der schwierigste Schritt.

  • Der Geist ist darauf eingestellt das Leiden nicht zu „sehen“, sondern über „mögliches zukünftiges Glück“ nachzudenken. Der Buddha verglich dies mit einem Ochsen, der eifrig einen voll beladenen Wagen schleppt, während ihm sein Besitzer ein Bündel Heu an einer Stange vor die Nase hält. Der Ochse hat die Absicht das Heu zu erreichen und erkennt nicht einmal die schwere Last, die er zieht.
  • Selbst der kleinste Wurm will leben. Er sieht nicht das Leid, das er durchmacht. Hier muss man viel Zeit verbringen, die Botschaft des Buddha zu verstehen.
  • Nur wenn man wirklich begreift, dass es „keinen Sinn macht zu kämpfen, um in dieser Welt mit 31 Reichen Glück zu finden“, erreicht man die Sotapanna-Stufe. Damit sieht man die Wahrheit in der dritten edlen Wahrheit, Dukkha Nirodha Sacca: nirodha bedeutet nir + uda = „das Entstehen stoppen“.

15. Der Buddha sagte, wenn man eine edle Wahrheit sieht, sieht man alle vier. So wird beim Erreichen der Sotapanna-Stufe auch der Weg zu Nibbana deutlich.

  • Der Prozess zum Entfernen der Hauptursachen Avijja und Tanha ist die vierte edle Wahrheit: Ariya Magga Sacca bzw. die Wahrheit über den edlen Pfad (magga = Pfad). Und dieser Weg ist achtfach und es ist der Edle Achtfache Pfad.
  • Der Pfad muss systematisch verfolgt werden. Samma Ditthi bzw. die korrekte Sichtweise, San zu eliminieren, ist der erste Schritt. Ein Sotapanna hat dies in einem gewissen Ausmaß erreicht, indem er/sie Anicca, Dukkha, Anatta zu einem gewissen Grad versteht.

16. Daher ist der 4-Stufen-Prozess ein Grundprinzip, das verwendet werden kann, um jedes Problem zu lösen (irgendein banales Problem oder das ultimative Existenzproblem), weil es auf den Grundprinzipien von Ursache und Wirkung basiert, wie auch die Natur.

17. Nibbana hat keine Ursache und wird durch Beseitigung aller Ursachen erreicht. Es gibt sechs Ursachen, die diese Welt für jedermann aufrechterhalten: Gier, Hass, Ignoranz, Nicht-Gier, Nicht-Hass, Nicht-Ignoranz. Alle Ursachen werden durch Panna bzw. Weisheit entfernt. Es ist wichtig zu erkennen, dass Weisheit NICHT Nicht-Ignoranz ist.

  • Im Moment genügt es zu sagen, dass die vier untersten Reiche dieser Welt über die „schlechten Wurzeln“ Gier, Hass und Ignoranz erhalten bleiben. Der Rest der 31 Reiche wird durch Nicht-Gier, Nicht-Hass und Nicht-Ignoranz, die sogenannten „guten Wurzeln“, aufrechterhalten. Wahre Weisheit wird erreicht, wenn man erkennt, dass all diese Wurzeln zur Anhaftung an „diese materielle Welt“ führen. Aber bis man in gewissem Maße Weisheit entwickelt, indem man zuerst die „schlechten Wurzeln“ entfernt, ist es nicht möglich, die Bedeutung von anicca, dukkha, anatta zu erfassen.
  • Deshalb ist der edle achtfache Pfad zweifach: Dem weltliche (lokiya) achtfachen Pfad folgt man zuerst, um Geburt in den untersten vier Reichen zu vermeiden und den Geist in gewissem Maße zu reinigen.
  • Dann folgt man dem transzendenten (lokottara) edlen achtfachen Pfad, um Nibbana zu erreichen, indem man den Geist von allen sechs Wurzeln vollständig reinigt.

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