Sotapatti Anga – 4 Qualitäten eines Sotapanna

1. Sōtāpatti Anga bzw. die vier Qualitäten eines Sotapanna werden in vielen Sutta genannt, u.a. im Sotāpatti Samyutta des Samyutta Nikāya und auch im Anguttara Nikāya. Siehe Brahmacariyogadha Sutta (SN 55,2), Paṭhamasāriputta Sutta (SN 55. 4), Veḷudvāreyya Sutta (SN 55,7), Paṭhamagiñjakāvasatha Sutta (SN 55. 8), Nandiyasakka Sutta (SN 55,40), Gihi Sutta (AN 5.179).

2. Die vier Qualitäten (oder Merkmale) eines Sotapanna sollte man nicht verwechseln mit den vier Bedingungen für die Sotapanna-Stufe, siehe Vier Bedingungen für Sotapanna Magga / Phala.

  • Diese vier Bedingungen für das Erreichen der Sotapanna-Stufe werden manchmal auch Sōtāpatti Anga genannt, z.B. Dutiyasāriputta Sutta (SN 55.5). Auf der anderen Seite werden die vier Qualitäten eines Sotapanna  auch als  Sōtāpatti Anga aufgeführt, siehe Nandiyasakka Sutta (SN 55.40).
  • Deshalb muss man den Begriff Sōtāpatti Anga im Zusammenhang mit dem Text verstehen, ob also die vier Bedingungen oder die vier Qualitäten gemeint sind.

3. Die vier Qualitäten eines Sotapanna sind in der Brahmacariyogadha Sutta (SN 55.2) genannt. Der Buddha fragt: „Catūhi, bhikkhave, dhammehi samannāgato ariyasāvako sotāpanno hoti avini­pāta­dhammo niyato sam­bodhi­parā­yaṇo. Katamehi catūhi?“

Übersetzt: „Bhikkhus, der Ariyasāvaka Sotapanna, der frei von den Apaya ist, hat vier Qualitäten. Welche vier?“

Dann gibt der Buddha die Antwort: „Idha, bhikkhave, ariyasāvako buddhe aveccap­pasā­dena samannāgato hoti: ‘itipi so bhagavā arahaṃ sammāsambuddho vij­jācara­ṇa­sam­panno sugato lokavidū anuttaro purisa­damma­sāra­thi satthā devamanussānaṃ buddho bhagavā’ti. dhamme aveccap­pasā­dena samannāgato hoti… pe … saṅghe aveccap­pasā­dena samannāgato hoti… pe … ariyakantehi sīlehi samannāgato hoti akhaṇḍehi … pe … samā­dhi­saṃ­vatta­ni­kehi. Imehi kho, bhikkhave, catūhi dhammehi samannāgato ariyasāvako sotāpanno hoti avini­pāta­dhammo niyato sam­bodhi­parā­yaṇo”ti.

Übersetzt:  „Ein Sotapanna hat Ehrfurcht/Glaube (pasada) in den Buddha, sein Dhamma, den Sangha, was aus dem Verlust tief verwurzelter Verlangen nach Dingen in dieser Welt entsteht (avecca). Er/sie lebt mit Ariyakānta Sīla (moralisches Verhalten einer edlen Person), was nicht gebrochen werden kann und apāyagāmi Taten verhindert (kamma). Dies sind die vier Qualitäten (Eigenschaften/Merkmale) eines Sotapanna, der frei von den Apaya ist„. 

  • Um diese Übersetzung richtig zu verstehen, müssen wir die Bedeutung von zwei Schlüsselbegriffen kennen: Aveccappasāda und Ariyakānta Sīla.
  • Aveccappasāda wird kaum diskutiert. Wo es auftaucht, wird es als „unerschütterliches Vertrauen“ beschrieben. Aber der Grund für das unerschütterliche Vertrauen ist selbst in diesem Wort versteckt. Dies wird als pada nirukti bezeichnet, d.h. die Bedeutung des Wortes liegt im Wort selbst. Der verborgene Sinn soll jetzt Thema sein.

4. Menschen, die noch keine Ariyas sind, schätzen die Sinnesfreuden. Viele sind sogar bereit, unmoralisch zu handeln, um mehr Sinnesvergnügen zu bekommen. Selbst „moralische Menschen“ sind süchtig nach Sinnesfreuden, wenn mit moralischen Mitteln erreichbar (ohne andere zu verletzen).

  • Doch dieses „moralische Verhalten“ ist nicht dauerhaft garantiert. Selbst die moralischste Person wird irgendwann apāyagāmi Taten begehen, wenn die Bedingungen verlockend genug sind. Wenn solch ein starker Sinneseindruck (Versuchung) auftaucht, kann ein Anariya (ohne Verständnis der Tilakkhana) apāyagāmi Taten zu einem bestimmten Zeitpunkt in einem zukünftigen Leben begehen.
  • Daher sind wir auch bisher nicht aus Samsara bzw. dem Leiden gefüllten Wiedergeburtskreislauf entkommen.
  • Das ist für Viele schwer zu glauben. Sie denken, ihre Moral sei nicht „zu brechen“. Jeder hat aber auch von „moralischen Menschen“ gehört, die abscheuliche Taten begangen haben. Dann kommt oft der Satz: „…er /sie war ein ganz normaler Mensch. Das hätte ich nicht gedacht …“ Die „unzerbrechliche Moral“ kann nur durch das Sehen der Unfruchtbarkeit und Gefahren von Sinnesfreuden erreicht werden.
  • Dies ist die Einzigartigkeit von Buddha Dhamma: Es ist möglich, den Geist dahin zu bringen, apāyagāmi Taten zu vermeiden und letztlich auf der Arahant-Stufe sogar jegliche Dasa Akusala zu blockieren.

6. Darüber ist es für einen normalen Menschen unmöglich, die Wahrheit über das Leiden in den 31 Reichen von selbst zu erkennen. Es braucht einen Buddha und den Sangha.

  • Das Problem ist, dass unser Geist so programmiert ist, dass wir denken, ein Tier sei eigentlich kein Lebewesen, was Schmerzen empfinden kann und ernsthaft leidet. Aber alle Lebewesen erleben Schmerzen (Vedana), Wahrnehmung (Sanna), Willensformation (Sankhara), Bewusstsein (Vinnana). Der Buddha sagte, alle Lebewesen haben ihren Pancakkhandha.
  • In der Abhidhamma-Sprache sind Gefühle (Vedana) und Wahrnehmung (Sanna) universelle geistige Faktoren (Cetasika), die in allen Gedanken aller Lebewesen entstehen.
  • Das Leiden ist überall. Wir sind uns nicht des Leidens in den 31 Reichen bewusst. In den Apaya ist das Leiden unvorstellbar.

7. Die Ursachen für solches Leiden können nur mit dem Verständnis der Gesetze von Kamma erfasst werden, was wiederum den Kreislauf der Wiedergeburten erzwingt.

  • Daher kann man die tieferen Aspekte von Buddha Dhamma erst begreifen, wenn man vorher die 10 Arten von Micca Ditthi loswird.
  • Mit Micca Ditthi  hat man auch Avijja auf höchstem Niveau, also Moha. Selbst der Nobelpreisträger kann Moha haben. Es hat nichts mit „Buchwissen“ zu tun. Siehe Lobha, Dosa, Moha und Raga, Patigha, Avijja.

8. Ohne Micca Ditthi kann man beginnen, die eigentliche Ursache für das Leiden zu „sehen“ (nicht mit den Augen, sondern mit Weisheit). Aufgrund von Tanha entsteht Leiden, was wiederum aus Icca entsteht (unser Verlangen nach Sinnesfreuden). 

  • Auch dies ist die Einzigartigkeit von Buddha Dhamma. Während sich ein normaler Mensch eine „glückliche Existenz“ ohne Sinnesfreuden nicht vorstellen kann, sieht ein Ariya das Gegenteil: Unfruchtbarkeit und Gefahren in Sinnesfreuden und Sansara allgemein.
  • Der Schlüssel zu Dukkha Sacca und Tilakkhana liegt darin, das verborgene Leiden in Sinnesvergnügen zu sehen. Die schlimmsten Leiden entstehen durch unmoralische Taten. Das erkennt ein Sotapanna zuerst.

9. Wenn man auf der Sotapanna Anugāmi Stufe beginnt, diese Wahrheit zu erfassen, erlebt man auch den Anfang einer anderen Art von „Glück“: Nirāmisa Sukha.

  • Die eigentliche Ursache von Nirāmisa Sukha ist die Abstinenz von Sinnesfreuden. Auch dies ist schwer zu erklären und muss erlebt werden.
  • Damit kommt die Wertschätzung für einen Buddha von allein und auch der unzerbrechliche Glaube in ihn. Das ist Aveccappasāda in den Buddha.

10. Nun können wir die wahre Bedeutung von Aveccappasāda erkennen: ava bedeutet „überwinden“, icca ist „mögen“ oder „verlangen“. Beide Wörter zusammen ergeben avecca. Mit pasada kombiniert reimt es sich als aveccappasāda.

  • Es muss eine wirklich außergewöhnliche Person sein, welche diesen unvorstellbaren Grund für das Leiden in dieser Welt erkennt und den Weg aus diesem Leiden findet (durch Entfernen von Tanha  oder Icca für weltliche Vergnügen).

11. Natürlich hat man gleichzeitig Dhamme Aveccappasāda einen unerschütterlichen Glauben in das Dhamma, die Lehre des Buddha, die einem erlaubt, frei von den Apāyas zu sein.

  • Darüber hinaus ist man ohne Sangha (Ariya, welche die wahre und reine Lehre weitergeben) nicht in der Lage, dieses Dhamma zu lernen. Man könnte ein Leben mit dem Lernen eines falschen Dhamma verbringen und so die Botschaft des Buddhas nicht kennen. Wir haben das Glück, das richtige Buddha Dhamma zu lernen, weil der Sangha den Tipitaka treu und korrekt übertragen hat.
  • Diese Erkenntnis führt zu Sanghe Aveccappasāda Ehrfurcht/Vertrauen in den Sangha.
  • Bhikkhus gehören nicht zwingend zum Sangha. Nur die acht edlen Personen (attha purisa puggala) gehören zum Sangha. Siehe Höchste Qualitäten von Buddha, Dhamma, Sangha.
  • Allerdings sollten Bhikkhus immer mit Respekt behandelt werden. Sie repräsentieren das Buddha Sasana (die Wirkzeit von Buddha Dhamma, ~5000 Jahre).

12. Schließlich wird moralisches Verhalten für immer unzerbrechlich, auch in zukünftigen Geburten. Egal wie verlockend ein Sinneseindruck sein mag, man wird nie apāyagāmi Handlungen tun (Kamma).

  • Dieses unzerbrechliche moralische Verhalten eines Sotapanna heißt Ariyakānta Sila. Kanta (ka + anta) ist der abgekühlte Geisteszustand durch das Entfernen der beiden Extreme (anta), die der Buddha ablehnte: übermäßige Sinnesfreuden und übermäßige Härte bzw. extreme Entsagung.
  • Ariyakānta Sila entsteht nur in Ariya, die diese einzigartige Botschaft des Buddha verstanden haben: wie Leiden entsteht in dieser größeren Welt mit 31 Reichen, wie zukünftiges Leiden zu stoppen ist und ein permanenter Zustand ohne Leiden erreicht werden kann (Nibbàna).

13. Dies ist die „einzigartige Sichtweise“ bzw. Samma Ditthi im Edlen Achtfachen Pfad. Ein Sotapanna erkennt diese „der Welt bisher unbekannte“ Wahrheit.

  • Die „drastische Veränderung der Sichtweise“ generiert automatisch Glaube in Buddha, Dhamma und Sangha und erzeugt dadurch Aveccappasāda.
  • Buddha, Dhamma und Sangha sind der dreifache  Juwel und der Ehrung würdig.

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