nirodha und vaya – zwei verschiedene Konzepte

überarbeitet 21.12.2020

1. Es gibt „buddhistische“ Gruppen, die versuchen Gedanken zu „stoppen“, denn sie glauben, das sei der Zustand eines Arahant.

  • Wenn wir im Tiefschlaf oder bewusstlos sind, „denken wir nicht bewusst“. Haben wir damit die Arahant-Stufe erreicht oder sind wir wenigstens nah dran?
  • Der Buddha riet dazu, unmoralische Gedanken zu stoppen und moralische Gedanken zu fördern. Dies tut man mit Anapana. Siehe Was ist Anapana?.
  • Ein Arahant hat kristallklare (und reine) Gedanken, weil sie frei von Verunreinigungen sind. Ihr Gedächtnis ist tatsächlich besser.
  • Alle Gedanken zu stoppen, kann zum Verlust der Wahrnehmung und der Erinnerung führen.

2. Viele Missverständnisse über Nibbana entstehen, weil wichtige Pali-Wörter nicht verstanden werden. Zum Beispiel verdrehten Mahayana-Urväter das Konzept von Sunyata (Leere), weil sie Nibbana nicht verstanden. Siehe Was ist Sunyata oder Sunnata (Leere)?.

3. Es gibt verschiedene Schlüssel-Wörter in Buddha Dhamma, die ohne Veränderung verstanden werden müssen. Die meisten dieser Missverständnisse entstehen, weil solche Schlüssel-Wörter falsch interpretiert und auch falsch übersetzt werden. Buddha Dhamma wurde in Maghadhi-Sprache gelehrt und in eine geeignete Form zur mündlichen Übertragung gebracht, nämlich Pali (pali bedeutet „aufgereiht“). Oft entstehen Probleme, wenn Sanskrit-Übersetzungen als Original verwendet und interpretiert werden.

4. Drei solche Worte sind anicca, dukkha, anatta: siehe Anicca, Dukkha, Anatta – falsche Deutungen. Drei weitere wichtige Worte sind nirodha, khaya und vaya. Schauen wir auf den Ursprung dieser Worte:

  • Nirodha kommt von nir + udaya, mit nir = „stoppen“ und udaya = „entstehen“. Somit bedeutet nirodha „das Entstehen stoppen“. In Buddha Dhamma geschieht alles aus Ursachen. Wenn also etwas nicht geschehen soll, sollte man die Ursachen dafür entfernen und somit das Entstehen verhindern.
  • San lässt alles in dieser Welt via Sankhara entstehen. Siehe Was ist „San“?. Doch alles, was in dieser Welt entsteht, unterliegt dem Naturgesetz des Verfalls, das ist khaya.
  • San und khaya gehören zusammen: sankhya in Pali oder Singhalesisch bedeutet „Zahlen“ und san bedeutet das Hinzufügen (oder Multiplizieren), somit trägt es zum „Entstehen“ oder „Wachsen“ bei. Khaya bedeutet Subtraktion (oder Teilen), und führt somit zu „Zerfall“ oder „Zerstörung“.
  • Dinge, die entstehen und vergehen, nennt man sankata. Alles in dieser Welt ist sankata.

5. Was in dieser Welt entsteht (sankata), beginnt mit dem Verfall (khaya) vom Moment des Entstehens. Wenn ein Baby geboren wird, zerfallen alle Zellen des Körpers innerhalb einiger Monate, aber es entstehen mehr als zerfallen. Bis das Baby ein junger Mensch von etwa zwanzig Jahren ist, bleibt das so. Das Baby „wächst“ zu einem jungen Menschen heran und dann bleiben die Dinge irgendwie im Gleichgewicht bis zum Alter von etwa 40 Jahren. Dann beginnt der khaya-Prozess zu dominieren und die Person altert sichtbar. Schließlich stirbt die Person; das ist vaya.

  • Sobald ein Sankata entsteht, kann es nicht gestoppt werden. Es durchläuft seinen natürlichen Prozess des Wachsens, gelangt dann zu einem scheinbaren stationären Zustand (der aber nicht einmal vorübergehend stationär ist), und wird schließlich zerstört. Wenn jemand Selbstmord begeht, wird das aktuelle Leben beendet, aber die nicht verbrauchte Energie beginnt ein neues Leben. Man kann also nur das Entstehen selbst verhindern. Dieses Verhindern des Entstehens wird nirodha genannt. Dabei werden die Ursachen entfernt.

6. Sankata ist alles, was in dieser Welt aufgrund von san entsteht, verfällt (khaya) und schließlich vergeht (vaya). Jedes Lebewesen ist ein Sankata und entsteht durch san. Wir erwerben san via sankhara, weil wir die wahre Natur der Welt nicht begreifen (avijja oder Ignoranz/Unwissenheit) und uns an Dinge/Konzepte/Wesen klammern (via tanha). Siehe Tanha – Wie wir via Gier, Hass und Ignoranz anhaften.

  • Wir beginnen, mit Klarheit zu sehen, wenn wir tanha und avijja loswerden, indem wir lobha (Gier), dosa (Hass) und moha (Verblendung) allmählich aus dem Geist entfernen. Dies ist auch ein khaya-Prozess, der Verunreinigungen (asava) auslöscht. Siehe Der Weg zu Nibbana – Entfernen von asava. Wenn ein Geist rein ist (d.h. alle asava entfernt), entstehen keine (abhi)sankhara und somit keine sankata. Zu diesem Zeitpunkt hat man nirodha für alle zukünftigen sankata erreicht, d.h. Nibbana .

7. Schauen wir auf ein Beispiel aus dem Tipitaka und sehen, wie die Bedeutung ohne Mühe sichtbar wird:

  • Die dritte Edle Wahrheit heißt Dukkha Nirodha Sacca (sacca = Wahrheit), d.h. „Wahrheit darüber, wie das Entstehen des Leidens stoppt“. Viele deuten Dukkha Nirodha Sacca falsch als „bestehendes Leiden kann beendet werden“. Unser derzeitiges Leben ist aber ein Sankata, das aus früheren Ursachen entstand. Dieses Leben und alles damit verbundene Leiden kann nicht gestoppt werden und durchläuft den natürlichen Prozess bis zum Tod. Deshalb leidet selbst ein Arahant (oder sogar ein Buddha) aufgrund vergangener Kamma (alte Ursachen) bis zum Tod.
  • Jedoch hat ein Arahant zukünftiges Leiden gestoppt. Dies bezeichnet eine andere Bedeutung von nirodha: ni + röda, mit röda = Räder/kreisen. Nirodha bedeutet also auch: „die Räder vom sansarischen (Wiedergeburts)Prozess nehmen“ oder „das Kreisen stoppen“. Nibbana ist die Beseitigung der Ursachen für zukünftiges Leiden.

8. Es gibt zwei Arten von Nibbana: saupadisesa Nibbana und anupadisesa Nibbana.

  • Wenn eine Person Nibbana erreicht, heißt es saupadisesa Nibbana, weil diese Person noch „in dieser Welt“ lebt, mit einem Körper, der natürlich verfällt. Aber nibbanische Glückseligkeit kann bis zu 7 Tage in Nirodha Samapatti erlebt werden.
  • Wenn die betreffende Person stirbt, gibt es keine Wiedergeburt und Nibbana ist „vollständig“. Das ist anupadisesa Nibbana. Das Leiden endet permanent.

9. Letztlich ist nicht absolut alles in dieser Welt sankata bzw. sankhara. Absolut alles wird als dhamma bezeichnet, das umfasst sankata (sankhara) und namagotta. Namagotta sind die dauerhaften „Aufzeichnungen“ aller Ereignisse eines Wesen in der Geistebene. Siehe Unterschied zwischen Dhamma und Sankhara.

  • Die letzten Worte des Buddha waren: „vaya dhamma sankhara, appamadena sampadetha“ oder „Alle vergänglichen dhamma sind sankhara (oder sankata); strebt fleißig und sortiert san aus“, (san + pä + détha).
  • Seit anfangloser Zeit erzeugen wir neue sankata. Wir tun dies unzählige Male während einer Lebenszeit und auch im Tod: Wir waren Brahma, Deva und Menschen, aber die meiste Zeit verbrachten wir in den Apaya. Mit seinen letzten Worten riet der Buddha, diesen sinnlosen Wiedergeburtsprozess zu stoppen, der mit so viel Leid gefüllt ist, und permanentes niramisa sukha in Nibbana zu suchen.
  • Nibbana ist die einzige „Einheit“, die nicht aus Ursachen entsteht: es ist asankata (a + sankata oder „nicht sankata“ oder „nicht bedingt“), denn es hat keine Ursachen. Es wird über die Beseitigung der Ursachen erreicht, d.h. nirodha aller sankhara führt automatisch zu Nibbana.

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