Was ist in einem Gedanken?

1. Im vorigen Text konnten wir sehen, dass ein „Gedanke“ (Citta) viel weniger als eine Milliardstel Sekunde dauert. Doch jedes Citta hat eine Struktur, denn es „enthält“ verschiedene Cetasika (geistige Faktoren). Genauer gesagt entsteht und vergeht jedes Citta zusammen mit diversen Cetasika innerhalb eines Sekundenbruchteils. Dann folgt das nächste Citta.

  • Hier sind Citta innerhalb eines Citta Vithi gemeint, die für das „Erkennen der Außenwelt“ über die sechs Sinne zuständig sind. Ein Citta Vithi hat entweder 17 Citta (zum Erfassen von Ereignissen über die fünf physischen Sinne) oder etwa 12 Citta in reinen Mano Citta Vithis, die nur den Geist betreffen. Zwischen diesen Citta Vithis fällt der Geist in den Bhavanga-Zustand zurück, d.h. Bhavanga Citta fließen.
  • Citta (einschließlich Bhavanga Citta) fließen kontinuierlich innerhalb eines Lebens bis zum Beginn des neuen Lebens. Da ist kein Abbruch zwischendrin.
  • Der Gedankenstrom fließt seit anfangloser Zeit ohne Unterbrechung. Siehe Was reinkarniert? – Konzept eines Lebensstroms.
  • Allerdings nehmen wir nicht alle Citta wahr. Es gibt „Lücken“ zwischen den Citta Vithi, wo der Geist im Bhavanga ist.

2. Die Cetasika erzeugen unterschiedliche Qualitäten zu jedem Citta. Ein Citta ist entweder moralisch (punna/kusala), unmoralisch (apunna/akusala ) oder neutral (kiriya), je nach Art der Cetasika. Die 52 Cetasika sind hier genannt: Cetasika (geistige Faktoren). Eine kurze Zusammenfassung:

  • Es gibt 7 universelle Cetasika, die mit jedem Citta entstehen.
  • 6 weitere Cetasika können mit einem Citta entstehen, d.h. einige davon sind ggf. in einem Citta. Sie heißen „gelegentliche Cetasika„.
  • Es gibt 14 asobhana Cetasika (nicht schöne geistige Faktoren), die nur in akusala Citta erscheinen.
  • Es gibt 25 sobhana Cetasika (schöne geistige Faktoren), von denen 19 in jedem kusala Citta erscheinen. Sie heißen daher „schöne Universelle“.

3. Betrachten wir zuerst die 7 universellen Cetasika. Diese erscheinen mit jedem Citta. Ein Citta mit nur diesen Cetasika heißt auch pabhasvara Citta, weil es die „reinste Form“ eines Citta ist. Während es weiter kontaminiert wird, entwickelt es sich innerhalb einer Milliardstel Sekunde zu einem Vinnana Citta (verunreinigtes Citta).

  • Solange wir nicht Arahant sind, erleben wir die Welt mit Vinnana Citta bzw. mit Vinnanakkhanda (das Aggregat von Vinnana).

Die 7 universellen Cetasika sind:

  • Phassa (Kontakt), Sanna (Wahrnehmung), Vedana (Gefühl), Cetana (Absicht), Ekaggata (Einspitzigkeit), Jivitindriya (Lebensfakultät) und Manasikara (Erinnerung).

4. Das Phassa Cetasika erzeugt Kontakt mit dem „Objekt des Citta“, je nachdem ob es ein Sinneseindruck über die fünf physischen Sinne oder ein geistiges Konzept ist, was als Dhamma Kontakt mit dem Geist hat.

  • In Paticca Samuppada ist es der Schritt Salayatana paccaya Phasso. Natürlich sind die Salayatana die sechs Sinne. Phassa ermöglicht dem Geist den Kontakt mit der Welt.
  • Sanna (Wahrnehmung) identifiziert das Objekt in Zusammenarbeit mit Manasikara und Vedana Cetasika.
  • Je nach Objekt erzeugt man angenehme, unangenehme oder neutrale Gefühle und verschiedene weitere Cetasika (z.B. Gier, Scham, Mitleid, usw.). Das Cetana Cetasika (Absicht) setzt alles zusammen. Basierend auf den Cetasika im Citta entstehen gute oder schlechte Gedanken. Cetana kann also gut oder schlecht sein. Daher sagte der Buddha, „Cetana ist Kamma“.
  • Ekaggata ist die Fähigkeit, den Geist auf ein Objekt zu fokussieren. Jivitindriya erhält den Körper am Leben bis zum Tod. Und Manasikara ist die alles entscheidende Erinnerung. Manasikara enthält alle Erinnerungen (oder Nama Gotta) seit anfangloser Zeit. Siehe Unterschied zwischen Dhamma und Sankhara.
  • Aus diesem Grund ist das jeweils aktuelle Citta der Vorgänger zum nächstfolgenden Citta und das unterscheidet sich nicht völlig vom Vorgänger. Manasikara baut immer auf dem vergangenen Citta auf, was „Ursache und Wirkung“ erzwingt und die „Persönlichkeit“ bzw. das Gathi eines Lebensstroms aufrecht erhält. Hier sieht man wiederum, warum der Buddha die Begriffe „Nicht-Selbst“ und „Selbst“ ablehnte. Das Gathi ändert sich mit der Zeit oder auch sprunghaft, z.B. beim Erreichen von Magga Phala. Ein Wesen ist also ein sich immer weiter entwickelnder Prozess.

5. Diese 7 Universellen führen die grundlegenden und lebenswichtigen Funktionen zum Erkennen von Objekten aus. Zudem entstehen so sukha, dukha oder neutrale Gefühle basierend auf dem Objekt.

  • Doch all das Erkennen geschieht nicht mit einem einzelnen Citta. Wie schon gesagt braucht es dazu jeweils einen Pancadvara Citta Vithi und drei nachfolgende Manodvara Citta Vithi.
  • Selbst dann erleben wir nur das „Nettoergebnis“ von Millionen solcher Citta Vithi. Aber wegen der extremen Schnelligkeit dieser Prozesse erleben wir die Welt gefühlt in Echtzeit. Aber das ist nicht so. Der Geist analysiert immer eine Reihe von Ereignissen, die bereits vergangen sind, also „ditte ditta mantan,………“. Was wir als JETZT erleben, ist bereits geschehen.

6. Während sich das Vinnana Citta rasend schnell entwickelt, werden weitere Cetasika hinzugefügt und letztlich entstehen kusala Citta, akusala Citta oder kiriya (neutrale/funktionale) Citta, je nach aufsteigenden Cetasika.

  • Sobhana Cetasika entstehen in kusala Citta und asobhana Cetasika entstehen in akusala Citta.
  • Sobhana und asobhana Cetasika mischen sich nicht, d.h. kusala Citta enthalten keine asobhana Cetasika und umgekehrt.

7. Nun stellt sich die Frage: Wenn Citta rasend schnell entstehen und vergehen, wie können wir willentlich akusala Citta stoppen? Das betrifft vor allem unsere Gedanken und Handlungen beim Auftauchen verlockender externer Objekte wie schöne Autos, attraktive Menschen oder einfach leckeres Essen.

  • Hier kommen die Charaktereigenschaften (Gathi) und Asava ins Spiel. Man handelt zunächst automatisch mit dem „Bewertungskatalog“, den man gerade hat.
  • Durch Veränderung der eigenen Gewohnheiten kann man seinen Charakter (Gathi) ändern und letztlich tief verwurzeltes Verlangen (Asava) auslöschen. Auch wenn die Antwort einfach ist, dauert es seine Zeit, die schlechten Gewohnheiten loszuwerden und gute Gewohnheiten zu kultivieren, zumindest am Anfang.
  • Wenn das Gathi mit der Zeit seine Kraft verliert, wird man weniger und weniger in Versuchung kommen, auch wenn man noch immer den Sinneseindrücken ausgesetzt ist.

8. Der Schlüssel zur Beseitigung schlechter Gathi ist, mit Nachdruck die schlechten Gedanken zu unterdrücken, sobald man diese bemerkt. Auch wenn ein schlechter Gedanke zunächst automatisch entsteht, kann man diesen schon nach wenigen Sekunden bemerken.

  • Sobald man schlechte Gedanken wahrnimmt, sollte man über die schlechten Konsequenzen nachdenken und diesen schlechten Gedankenstrom stoppen. Man kann stattdessen auch einfach über etwas Gutes nachdenken oder etwas Funktionales tun, was die volle Aufmerksamkeit erfordert.
  • Wenn man diesen Prozess eine Weile durchhält, wird die Tendenz zu schlechter (unmoralischer) Denkweise langsam reduziert, d.h. das schlechte Gathi verliert Kraft.

9. Während man schlechte Gewohnheiten loswird und gute Gewohnheiten kultiviert, werden die neuronalen Verbindungen im Gehirn neu verdrahtet. Das Gehirn ändert sich allmählich und das verändert auch die Denkweise. Dies ist die einfache Antwort der heutigen Wissenschaft.

  • Doch nicht nur das physische Gehirn verändert sich, auch der Manomaya Kaya wandelt sich. Das führt letztlich zur Veränderung des Gehirns.
  • Dieses Konzept der schrittweisen Veränderung von Gewohnheiten ist für den Fortschritt auf dem Pfad zu Nibbana aber auch für das Erreichen weltlicher Ziele unerlässlich.
  • Je mehr man unangemessene automatische Reaktionen erkennt und stoppt, umso effektiver wird man schlechte Gewohnheiten los, kultiviert gleichzeitig gute Gewohnheiten und ändert sein Gathi in die richtige Richtung. Das ist Anapana Sati, d.h. man arbeitet an guten Gedanken und löst sich von schlechten Gedanken. Siehe 7. Was ist Ānāpāna? im Abschnitt Meditation.

10. Wie oben erwähnt repräsentieren Cetasika die Qualität bzw. Funktion eines Citta.

  • Unmoralische (akusala) Citta haben eine oder mehr unmoralische Wurzeln. Avijja Cetasika (Unwissenheit) ist in jedem unmoralischen Citta enthalten.
  • Moralische (kusala) Citta enthalten immer Alobha (Nicht-Gier) und Adosa (Nicht-Hass). Panna Cetasika (Weisheit) entsteht nur in Cittas mit allen drei guten Wurzeln (tihetuka Citta).
  • Die fünf Hindernisse sind auch Teil der 14 asobhana Cetasika.
  • Die vier Grundlagen der geistigen Kraft (cattārō iddhipada) sind vier sobhana Cetasika, nämlich Chanda, Citta, Viriya, Vimansa. Hier bedeutet „Citta“ das „Nachdenken über das Ziel“ und somit Samma Sankappa, wenn vollständig kultiviert. Vimansa ist ein anderer Name für Panna und wird Samma Ditthi, wenn vollständig kultiviert. Siehe 37 Faktoren der Erleuchtung.
  • Einige Faktoren des Edlen Achtfachen Pfades sind direkt als sobhana Cetasika genannt, z.B. Samma Vaca, Samma Kammanta und Samma Ajiva. Andere Cetasika wie Sati und Panna werden zu Samma Sati und Samma Ditthi kultiviert.
  • Das Ekaggata Cetasika als universelles Cetasika wird zu Samma Samadhi. Viriya und Vitakka sind Teil der „Gelegentlichen“ und werden zu Samma Vayama und Samma Sankappa kultiviert.

11. Um langsam die Kontrolle über seine Handlungen und Gedanken zu übernehmen, muss man genügend Zeit haben, um die Folgen schlechter Handlung zu bedenken und bewusst solche Gedanken zu stoppen. Aber dazu braucht es einen ziemlich stabilen Geisteszustand. Ist der Geist aber unruhig und abgelenkt, kann man nicht „richtig von falsch“ unterscheiden. Die fünf Hindernisse bedecken dann den Geist.

  • Manchmal begehen Menschen schreckliche Verbrechen in einem Anfall von Wut. Wenn man diese schlechten Gathi reduziert, die wirklich gefährlich sind und zur Wiedergeburt in den Apayas  führen, erreicht man irgendwann die Sotapanna-Stufe. Dann behält man diese Einstellung auch in zukünftigen Leben. Ein Patisandhi Citta im neuen Leben entsteht auf Basis des Cuti Citta im vorherigen Leben. Damit überträgt sich das Gathi aus dem früheren Leben. Der Wechsel zum Gathi eines Sotapanna wird Änderung der Abstammungslinie genannt (gotrabhu). Man wird  für immer ein Ariya bzw. eine edle Person.

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