Rückblick auf die erste Bedeutung von Anatta – keine Seele oder Atma
1. Im vorherigen Text haben wir einen Aspekt von Anatta besprochen: Es gibt keine „Essenz“ in einem Lebewesen, also keine Seele oder ein Atma. Siehe Anattā in Anattalakkahana Sutta.
- Das Leben endet jedoch nicht mit dem Tod. Es gibt eine Fortsetzung des Seins mit der Geburt in einem der 31 Reiche. Siehe Was reinkarniert?.
- Wenn das Leben als Mensch endet, hat man keine Kontrolle darüber, was die nächste Existenz sein wird. Die nächste Geburt folgt entsprechend den zu diesem Zeitpunkt vorherrschenden Ursachen und Bedingungen, d.h. via Paticca–Samuppāda.
2. Daher gibt es in einer „Person“ kein „unveränderliches Wesen“. Er/sie ist nur eine Ansammlung der fünf Aggregate, die sich nach dem Prinzip von Ursache-Wirkung weiterentwickeln (Paticca Samuppāda).
- Vedanā, Saññā, Sankhāra und Viññāna entstehen alle aufgrund von Bedingungen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt vorliegen, d.h. PS-Prozesse wie Avijjā paccayā Sankhāra, Sankhāra paccayā Viññāna …bis Vedanā und Saññā, da beide zusammen entstehen. Siehe Citta und Cetasika – Wie Vinnana (Bewusstsein) entsteht. Zudem entsteht der Körper (Rupa) via Bhava paccayā Jāti.
- Eine „Person“ ist nicht mehr als die fünf Aggregate: Rupakkhandha, Vedanākkhandha, Saññākkhandha, Sankhārakkhandha, Viññānakkhandha. Diese Aggregate entwickeln sich von Moment zu Moment entsprechend Paticca Samuppāda.
- Es gibt kein Atta oder „Seele“ (Atma im Hinduismus), was aus eigener Kraft bewirkt, dass diese Wesenheiten entstehen, wenn ein neues Arammana (Gedankenobjekt) über die sechs Sinne erkannt wird. Siehe Kamma entsteht durch Sankhāra.
3. Jetzt können wir sehen, dass der Buddha die tiefen Konzepte von Anicca, Dukkha, Anatta in seinen ersten beiden Suttas erklärte (Dhammacakkappavattana Sutta und Anattalakkhana Sutta).
- Im Text Anicca – Unfähigkeit, irgendetwas zu erhalten wurde der Inhalt der Dhammacakkappavattana Sutta beschrieben, wo der Buddha erklärte, was anicca bedeutet und wie die inhärente Anicca-Natur zu Dukkha führt.
- Der wichtige Vers dieser Sutta ist „yampiccam nalabhati tampi dukkham“, eine verkürzte Version von „yam pi iccam na labhati tam pi dukkham“. Das Wort anicca ist das Gegenteil von icca. Dukkha entsteht, weil die eigenen Erwartungen nicht erfüllt werden können (icca).
- In gleicher Weise führt die Anattalakkhana Sutta den Begriff anatta ein, der die Tatsache hervorhebt, dass man nicht einmal Dinge aufrechterhalten kann, die man als „sein eigen“ empfindet, wie den eigenen physischen Körper oder die eigenen mentalen Fähigkeiten (Vedanā, Saññā, Sankhāra, Viññāna).
- Natürlich hängen diese beiden Aspekte zusammen: Da man nicht die vollständige Kontrolle über IRGENDETWAS hat, ist man auch nicht in der Lage, die Dinge nach Belieben zu erhalten und wird im Wiedergeburtsprozess unvermeidlich leiden.
Anatta – Hilflos im Wiedergeburtsprozess
4. In diesem Beitrag betrachten wir einen weiteren Aspekt der Anatta-Natur: wie man langfristig hilflos wird (anatta). Das ist eine andere Bedeutung von anatta, manchmal als anattha geschrieben. (Der Tipitaka wurde in Pāli geschrieben, aber mit singhalesischer Schrift, siehe Historischer Hintergrund. Das Wort Anatta wurde als අනත්ත geschrieben. Manchmal – insbesondere für die hier betrachtete Bedeutung – wird es auch අනත්ථ geschrieben und das schreiben wir als anattha).
- Das Pali-Wort attha kann je nach Kontext „Wahrheit“ oder „Zuflucht“ oder „sinnvoll“ bedeuten. Die Gegensätze „Unwahrheit“ oder „ohne Zuflucht bzw. hilflos“ oder „bedeutungslos/unrentabel“ werden als anattha bezeichnet.
- Wenn man die anicca-Natur nicht wirklich versteht (dass es nicht möglich ist, das zu bekommen, was man will UND es zu erhalten), versucht man, Dinge dieser Welt mit allen notwendigen Mitteln zu erreichen. Dafür lässt man sich auch auf unmoralische Taten ein, was Ursachen und Bedingungen festlegt, die in der Zukunft so viel Leiden mit sich bringen, dass man durch schlechte Wiedergeburten wirklich hilflos wird (anattha).
- Daher ist es nicht genug, die erste Bedeutung von anatta zu kennen. Man muss die zweite, verwandte Bedeutung verstehen und fleißig daran arbeiten, die Dasa Akusala zu vermeiden.
5. Im Paṭhama Adhamma Sutta (AN 10.113) sagt der Buddha genau, was Dhamma/Adhamma und Attha/Anattha sind:
“Katamo ca, bhikkhave, adhammo ca anattho ca? Micchādiṭṭhi, micchāsaṅkappo, micchāvācā, micchākammanto, micchāājīvo, micchāvāyāmo, micchāsati, micchāsamādhi, micchāñāṇaṃ, micchāvimutti—ayaṃ vuccati, bhikkhave, adhammo ca anattho ca“, UND
“Katamo ca, bhikkhave, dhammo ca attho ca? Sammādiṭṭhi, sammāsaṅkappo, sammāvācā, sammākammanto, sammāājīvo, sammāvāyāmo, sammāsati, sammāsamādhi, sammāñāṇaṃ, sammāvimutti—ayaṃ vuccati, bhikkhave, dhammo ca attho ca“.
- Grundsätzlich sind Dhamma jene Gedanken, Sprache und Handlungen, die zum Wohle für eine Person sind. Wer sich auf diese einlässt, beschäftigt sich mit fruchtbaren/bedeutungsvollen Dingen und damit gewinnt man Zuflucht (attha). Wie oben in der Aufzählung zu sehen, umfasst dies den edlen achtfachen Pfad, gefolgt von sammā Nāṇa und sammā Vimutti (d.h. Arahantschaft).
- Das Gegenteil bzw. Adhamma sind jene Gedanken, Sprache und Handlungen, die zu zukünftigem Leiden führen. Wer sich darauf einlässt, beschäftigt sich mit unfruchtbaren/unmoralischen Dingen und wird auf lange Sicht hilflos im Kreislauf von Sansara (anattha).
6. Eine andere Möglichkeit, das gleiche auszudrücken: jemand, der sich mit den Dasa Akusala (Adhamma) beschäftigt, wird im Wiedergeburtsprozess hilflos (anattha).
- Wer sich mit den Gegensätzen beschäftigt, nämlich mit den Dasa Kusala (Dhamma), wird Zuflucht im Wiedergeburtsprozess finden (attha) und frei von zukünftigem Leiden, indem er/sie Arahant wird.
- Diese Kernaussagen über Buddha Dhamma sind in viele Sutta wiedergeben, siehe den Anguttara Nikāya des Tipitaka.
7. Die erste Bedeutung von anatta in der Paṭhama Adhamma Sutta ist „theoretischer Natur“: man hat auf lange Sicht niemals die volle Kontrolle über seine Angelegenheiten. (Somit wird man im Wiedergeburtsprozess hilflos.)
- Die zweite Bedeutung bietet einen praktischen Ausweg aus diesem gefährlichen Kreislauf. Dieser besondere Pfad, um zukünftiges Leiden zu vermeiden und Zuflucht zu finden, kann nur von einem Buddha entdeckt werden. Mit anderen Worten: Dhamma folgen, um Zuflucht zu finden (attha), anstatt Adhamma zu folgen, um hilflos zu werden (anattha).
- In der Paṭhamanātha Sutta (AN 10.17) und Dutiyanātha Sutta (AN 10.18) riet der Buddha den Bhikkhus, ein moralisches Leben zu führen, um nicht anāthā zu werden: Sanāthā, bhikkhave, viharatha, mā anāthā.
Yadaniccam tam dukkham, tam dukkham tadanatta
8. Mit dieser zweiten Interpretation ist es einfacher zu erkennen, wie die anicca-Natur zu Leiden (dukkha) und schließlich zu Hilflosigkeit (anatta) führt.
- Jeder Mensch, der bis zu einem gewissen Grad nicht gehört und verstanden hat, was anicca-Natur heißt, wird ein Assutavā Puthujjano genannt. Einer, der dies getan hat, heißt Sutavā Ariyasāvako. Hier bedeutet Sutavā „hat von den wahren Lehren des Buddha gehört (und verstanden)“ und Assutavā ist natürlich einer, der nicht gehört/verstanden hat.
- Wenn man nicht merkt, dass alle Kämpfe um ein „dauerhaftes Glück“ sinnlos sind, tut man sein Bestes, um einen solchen Glückszustand zu erreichen. Dies geschieht, indem man daran arbeitet, seine Seele mit einem Schöpfergott im Himmel oder mit Mahā Brahma in einem Brahma-Reich zu verbinden. Aber der Buddha erklärte, dass diese Bemühungen vergeblich sind.
9. Es ist natürlich notwendig, bestimmte Ziele „in dieser Welt“ zu erreichen. Zum Beispiel muss man eine gute Ausbildung und Beschäftigung haben (und sicherstellen, dass die Kinder auch halbwegs sicher leben). Das ist notwendig, um Leiden in diesem Leben zu vermeiden.
- Aber dann muss man über die wahre Natur dieser Welt erfahren: Dieses Leben geht nach dem Tod des physischen Körpers weiter und man muss daran arbeiten, spirituelle Ziele zu erreichen, um nicht mehr durch Wiedergeburt zu leiden.
- Nur wenn man dieses „langfristige Bild“ betrachtet, kann man die anicca (und dukkha und anatta) Natur dieser Welt verstehen: Egal wie viele weltliche Erfolge man erzielen kann, man muss alles hinter sich lassen, wenn man stirbt und startet den gesamten Prozess erneut, falls man wieder als Mensch geboren wird.
10. Unkenntnis der Anicca-Natur führt zu Leiden (Dukkha).
- Wenn man versucht, Glück zu erlangen, indem man sich in den Dasa Akusala betätigt (was sehr wahrscheinlich passiert, wenn die Versuchungen nur stark genug sind), wird man in den unteren vier Reichen wiedergeboren und das Leiden wird viel größer. Dann ist man wirklich hilflos (anatta). Diese Tatsache wird in vielen Suttas mit der knappen Aussage wiederholt: „yadaniccam tam dukkham, tam dukkham tadanatta„.
- Dies ist eine komprimierte Version zum Reimen, um eine einfache mündliche Übermittlung zu ermöglichen. Der vollständige Vers lautet: „yad aniccam tam dukkham, tam dukkham tad anatta“ bzw. „Wenn etwas nicht zur eigenen Zufriedenheit aufrecht erhalten werden kann, entsteht Leid, deshalb ist man am Ende hilflos.“
11. Der obige wichtige Vers kommt in vielen Lehrreden des Samyutta Nikāya (Anicca Vagga) vor, einschließlich Ajjhattanicca Sutta (SN 35.1), Bahiranicca Sutta (SN 35.4) oder Yadanicca Sutta (SN 22.15). Die drei Merkmale „dieser Welt“ sind miteinander verbunden:
- Diese Aussage gilt auch für ein einzelnes Leben. Egal wie viele Erfolge/Siege wir in diesem Leben erringen, wir müssen all das hinter uns lassen, wenn wir sterben.
- Die Schlüsselbotschaft des Buddha betraf jedoch die langfristigen Auswirkungen in Sansara. Denn bei Wiedergeburt in den Apaya wird man wirklich hilflos.
- Aus diesem Grund muss man zuerst die zehn Arten von Micca Ditthi entfernen (weltlicher achtfacher Pfad), um die Grundlagen wie Kamma-Gesetz und die Gültigkeit des Wiedergeburtsprozesses zu erfassen. Nur dann kann man beginnen, die Anicca-, Dukkha- und Anatta-Natur zu verstehen, und auf dem edlen achtfachen Pfad starten.
Alle Bedeutungen von Anicca/Anatta in sich konsistent
12. Alle Bedeutungen von anicca und anatta hängen zusammen.
- Die erste Bedeutung von anatta ist, dass es in einem Lebewesen keine „unveränderliche Essenz“ gibt, die das Schicksal kontrollieren kann. Alles geschieht aufgrund von Ursachen und Bedingungen, auch von Moment zu Moment. (Idapaccayā Paticca Samuppāda). Dann findet der Wiedergeburtsprozess nach Uppatti Paticca Samuppāda statt. Siehe Paticca Samuppāda.
- Dies hängt mit der Anicca-Natur zusammen. Man hat nicht die Fähigkeit, die Dinge nach Belieben zu erhalten, weil man keine Kontrolle über irgendetwas hat, das man als „das eigene“ wahrnimmt.
- Wenn man gegen die Natur verstößt (d.h. Adhamma) und versucht, Dinge nach Belieben zu erhalten, kann man das mit den Dasa Akusala tun und ist dann schlechtem Kamma Vipāka ausgesetzt.
13. Es gibt etwas, das wir unter Kontrolle haben, auch wenn man dabei wirklich diszipliniert sein muss, damit es funktioniert. Es ist das eigene Gati. Unsere Wege werden von Gati kontrolliert.
- Da sich die Gati jederzeit ändern können, sind diese nicht fix. Jeder kann sich entschließen, das eigene Gati zu ändern und auf ein besseres Ergebnis hinzuarbeiten, indem man Adhamma ablehnt und sich an Dhamma hält, d.h. sich auf den edlen Pfad begibt.
- Aber zuerst muss man die Grundlagen zu den Tilakkhana (anicca, dukkha, anatta) verstehen (manchmal wird auch asubha zur Liste hinzugefügt).
- Schon vorher muss man die 10 Micca Ditthi loswerden. Zum Beispiel kann man niemals die Anicca/Anatta-Natur erfassen, wenn man nicht an Wiedergeburt glaubt. Ziel ist das zukünftige Leiden zu meiden. Das aktuelle Leben entstand bereits aufgrund früherer Ursachen und wird unweigerlich Verfall und Tod bringen.