Idappaccayatā Paticca Samuppāda (akusala-mula pavutti PS)

1. Wie bereits in früheren Beiträgen erwähnt, kann Paticca Samuppada (PS) oder „Ursache und Wirkung“ verschiedene Phasen des Lebens in vielfältiger Weise beschreiben: von einem sehr schnellen 16 Zyklen PS (innerhalb eines Gedanken-Moments)  bis zu langfristigen PS Prozessen (Geburt eines „Lebewesens“ in einem der 31 Reiche).

  • Der Buddha sagte, dass PS tief wie ein Ozean ist. Es kann auf jede Situation angewandt werden, da alles „in dieser Welt“ dem grundlegenden Prinzip von Ursache und Wirkung gehorcht. Es ist kein Wunder, dass nur ein PS mehr als tausend Jahre untersucht wurde, während das wahre Dhamma verborgen blieb.
  • Im vorhergehenden Beitrag diskutierten wir den uppatti PS,  der den PS-Zyklus zwischen den Leben beschreibt. Das andere Extrem des sehr schnellen PS-Zyklus innerhalb eines Gedanken-Moments ist sehr komplex und wir kümmern uns vorerst nicht darum.
  • Hier schauen wir auf idappaccayatā PS, was Vorgänge zwischen diesen beiden Extremen beschreibt, d.h. Phänomene, die innerhalb einer Lebensdauer auftreten.

2. Wann immer wir willentlich etwas ergreifen, das Ergebnis dieser Handlung wird eine entsprechende Natur haben. Weil man mit Wille anhaftet, wird ein ähnliches Bhava generiert, d.h. pati+ichcha führt zu sama+uppada (PS).

  • Im grundlegendsten Sinne folgt ein „gieriger Geisteszustand“ aus dem Anhaften mit Gier, d.h. man entwickelt eine Gewohnheit (gati) oder Bhava entsprechend diesem Geisteszustand. Ein hasserfüllter Geisteszustand folgt aus dem Anhaften mit Hass. Handlungen aus Gier und/oder Hass werden immer mit Ignoranz getan.
  • Drei Beispiele für uppatti Bhava zeigen das Prinzip: Eine gierige Person kultiviert wahrscheinlich Peta Bhava und wird als Peta (hungriger Geist) wiedergeboren. Eine Person, die oft in hasserfüllten Handlungen gegenüber anderen Wesen engagiert ist, kultiviert wahrscheinlich Niraya Bhava und wird in der Hölle wiedergeboren. Ein Tier-Bhava wird sowohl mit Gier und Hass entwickelt. Da Unwissenheit immer involviert ist, wird ein Tier-Bhava mit allen drei Sans kultiviert; dies ist die Wurzel des Wortes tirisan = drei San für ein Tier in Singhalesisch.

3. Schauen wir nun auf den idappaccayatā PS, der die Entwicklung von Gewohnheiten oder Bhava oder Gathi während eines Lebens beschreibt. Es ist oft einfacher ein Beispiel zu verwenden, um diese PS-Zyklen zu illustrieren. Lassen Sie uns deshalb untersuchen, wie ein Teenager zum Alkoholiker wird.

4. Der Teenager freundet sich mit einer Gruppe Jugendlicher an, die Alkohol trinken. Anfangs macht er nur ungern mit, aber aufgrund von Ignoranz gesellt er sich zu ihnen und trinkt mit. Wenn ein guter Freund oder ein Familienmitglied über die Situation Bescheid wüsste, könnte sich diese schlechte Gesellschaft vielleicht vermeiden lassen, d.h. die Ignoranz über die Folgen des Alkoholgenusses und schlechter Gesellschaft wären vielleicht mit einem einzigen Gespräch beseitigt.

5. Der PS Zyklus beginnt somit mit „avijja paccaya sankhara„. Aufgrund von Ignoranz der negativen Folgen beginnt der Teenager zu trinken (sankhara = san + khara oder Taten des Ansammelns, in diesem Fall von schlechtem Kamma).

6. Je mehr er mit solchen Trink-Aktivitäten beschäftigt ist, umso mehr denkt er darüber nach und entwickelt eine „Denkweise“ oder Vinnana für diese Tätigkeit. Das ist „sankhara paccaya vinnana„.

7. Wenn er wirklich beginnt das Trinken von Alkohol zu mögen, denkt er sogar während anderer Tätigkeiten darüber nach. Das ist „vinnana paccaya namarupa. In diesem Fall sind Namarupa die geistigen Bilder verbunden mit Vinnana, d.h. die Bezeichnungen und die Form bestimmter Getränke; die lauschigen Orte, wo er normalerweise mit seinen Freunden trinkt usw. Er denkt schon an das nächste Wochenende und visualisiert die Szene. All das sind zugehörige Namarupa. Hier sind es geistige Bilder der „Dinge“ und „Konzepte“, die man mag.

8. Nun werden seine sechs Sinne „beteiligt“, um eine Realität passend zu Namarupa zu liefern, d.h. die gewünschten Sinnesvergnügen. In Pali-Sprache werden aus den sechs Indriya (Sinne) die Ayatana, quasi eine „Import/Export-Einrichtung“, die wirklich an Handlungen für Trink-Ereignisse beteiligt ist. Sein Geist denkt jetzt oft über das nächste „Ereignis“ nach (wo, wann, mit wem, etc.). Er trifft notwendige Vorbereitungen für das Ereignis mit allen sechs Sinnen (jetzt Ayatana), die in Übereinstimmung mit den Namarupa im vorherigen Schritt sind, d.h. „namarupa paccaya salayatana„. Salayatana bedeutet die sechs Ayatana: Das Auge ist jetzt nicht nur zum Sehen da, sondern es ist ein Assistent auf der Suche nach einem „guten Drink“ oder einem „guten Freund“ usw.

9. So haben wir „salayatana paccaya phassa, d.h. alle sechs Ayatana engagieren sich aktiv im Kontakt mit entsprechenden Sinnesobjekten. Seine Augen sind auf der Suche nach einem Drink oder einem guten Trink-Freund, usw. Hier heißt es statt phassa korrekterweise samphassa (= san + phassa). San meint hier einen verunreinigten Kontakt. Siehe Was ist „San“?.

10. Samphassa führt zu Vedana (Gefühle), d.h. „(san)phassa paccaya vedana. Der Teenager erlebt „angenehme (aber nicht heilsame) Gefühle“ mit seinen Sinneskontakten.

11. Wegen dieser „guten Gefühlen“, haftet er weiter an: „vedana paccaya tanha; siehe Tanha – Wie wir via Gier, Hass und Ignoranz anhaften.

12. Nun kommt „tanha paccaya upadana. Upadana bedeutet „automatisch etwas ergreifen oder festhalten“ (wie ein Krake seine Beute mit acht Armen ergreift). Im vorliegenden Fall möchte der Teenager diese Trink-Erfahrung neu erleben, und er versinkt darin. Wenn er das Trink-Ereignis erlebt, wird sein Geist vollständig absorbiert: er denkt nicht darüber nach und hat auch nicht den Geisteszustand um negative Folgen zu erkennen. Dies ist die kritische „Gewöhnung“ oder „Gewohnheits-Formung“ oder „Bhava-Formung“.

13. Der nächste unvermeidliche Schritt ist dann „upadana paccaya bhavo„. Dieser besondere Zustand der Trunkenheit wird mehr und mehr tief verwurzelt in seinem Geist. Es wird zum Bhava oder „Existenz“ oder Gewohnheit, die wichtig für den Teenager ist. Er will diese Erfahrung oft erleben.

14. Und das ist genau das, was er bekommt: „bhava paccaya jati. Dieses Bhava oder der Kamma-Samen ist inzwischen gut etabliert und der Teenager kann ganz einfach in diesem Zustand geboren werden. Er braucht nur eine Einladung von einem Freund oder sogar den Anblick einer Bar während der Urlaubsreise. Es ist für ihn natürlich in diesen Zustand zu kommen, oder in diesem Zustand „geboren“ zu werden. So wird er bei jeder Gelegenheit trinken. Siehe Bhava und Jathi – Existenz und Geburt für weitere Einzelheiten.

15. Aber wie alles andere auch unterliegt jede Geburt dem Verfall und Leiden: „jati paccaya jara, maranan, … eva me tassa dukkhanan samudhayo hoti. Dies geschieht in vielen Stufen, wie wir weiter unten beschreiben. Aber im Fall eines einzelnen Trinkereignisses kommt der Rauschzustand zum Ende, möglicherweise mit großen Kopfschmerzen und einem riesigen Kater. Schlimmer noch, jetzt ist er „süchtig“: er hat eine schlechte Gewohnheit gebildet, die sich nur noch verstärkt, wenn er es wieder tut. Weil jedes Mal der PS-Zyklus läuft, verstärkt sich das Vinnana für diese Gewohnheit und erhält mehr Brennstoff. Das Bhava wird stärker.

16. Es ist wichtig zu erkennen, dass der obige PS-Zyklus nicht zum Ende kommt, wenn das Trink-Ereignis vorbei ist. Vielmehr kann der Zyklus wiederholt auftreten, wenn er nicht bewusst gestoppt wird. Und die Art und Weise das zu stoppen, ist die Kultivierung guter Gewohnheiten und damit ein Sampajanno zu werden; siehe Kayanupassana – Der Abschnitt zu Gewohnheiten.

  • Je mehr der Teenager in diesem Bhava gefangen wird, umso mehr Jathi geschehen, d.h. umso häufiger wird er betrunken sein.

Es ist nicht einmal notwendig an einem „Trink-Ereignis“ teilzunehmen, damit ein weiterer PS-Zyklus abläuft. Der Teenager kann an einem Schreibtisch sitzen und dabei GEISTIG den PS-Zyklus starten. Er kann direkt mit „avijja paccaya sankhara“ beginnen und Mano Sankhara und Vaci Sankhara erzeugen (vitakka/vicara oder „das Ereignis planen“), somit das Vinnana erzeugen (und verstärken), Namarupa erzeugen (geistige Bilder über Orte, Freunde, Getränke, Geschmack usw.) und damit durch den Rest des Zyklus gehen: salayatana, samphassa, vedana, tanha, upadana, bhava, jati („es leben“). Das tut er so oft, bis er mit einer anderen Aufgabe beschäftigt ist, und damit endet der Zyklus vorerst.

  • Viele solcher PS-Zyklen können jederzeit ausgeführt werden. Mit der Wiederholung wird zunehmend Bhava und Gewohnheit aufgebaut.
  • Je stärker Bhava und Gewohnheit werden, umso schwieriger ist das zu durchbrechen. Aus diesem Grund muss man Meditation zusammen mit einer anderen guten Gewohnheit praktizieren, um eine schlechte Gewohnheit zu ersetzen. Während man in der Meditation die negativen Folgen der schlechten Gewohnheit betrachtet, entwickelt man eine gute Gewohnheit als Ersatz und zieht so den Geist von der schlechten Gewohnheit weg. Siehe Sansarische Gewohnheiten, Charakter (Gathi) und Verlangen (Asava) und Bhavana (Meditation) .

Hinweis, 19.5.2019: Dieser Text hieß zuvor Akusala-Mula Pavutti (oder Pravurthi) Paticca Samuppāda. Waharaka Thero nannte so diesen PS-Zyklus auf Singhalesisch. Im Tipitaka heißt er aber idappaccayata Paticca Samuppāda.

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