Einführung
1. Die Schlüsselbotschaft des Buddha ist, dass zukünftiges Leiden nur gestoppt werden kann, indem der Wiedergeburtsprozess gestoppt wird. Dieses Stoppen entspricht Nibbana.
- Das Thema „Angst vor Nibbāna“ ergibt sich aus der falschen Sichtweise, dass ein „Ich existiert“. Daraus ergibt sich der Schluss, dass man durch Stoppen von Wiedergeburt „ausgelöscht“ wird. Die umgekehrte Sichtweise ist auch falsch: ein „Ich existiert nicht“. Es ist wahr, dass „ich jetzt als Mensch existiere“. In Zukunft kann ich bspw. als Deva, Brahma oder Tier existieren, basierend auf der kumulativen Wirkung meines Kamma bis zum jeweiligen Zeitpunkt.
- Wenn man in einem Leben die Arahantschaft erreicht, wird man nach dem Tod nirgendwo in dieser Welt zu finden sein. Es ist wie mit einem Feuer: wenn kein Holz mehr da ist oder der Sauerstoff ausgeht und die Flammen verlöschen, kann man nicht sagen, wohin das Feuer gegangen ist. Man kann nur sagen, dass die Ursachen für das Feuer nicht mehr vorhanden sind.
- Heutzutage gibt es wie zur Zeit des Buddha unfruchtbare Diskussionen darüber, ob ein „Selbst“ existiert oder nicht. Wie der Buddha sagte, ist dies der falsche Ausgangspunkt, um den Kreislauf des Lebens zu verstehen. Ein Lebensstrom entwickelt sich gemäß seinen Ursachen (kamma). Wenn alle Ursachen für Kamma Vipāka gestoppt werden (d.h. taṇhā oder upādāna werden entfernt), stoppt Samsara für diesen Lebensstrom und Nibbāna wird mit dem Tod des letzten physischen Körpers vollendet.
- Der Buddha stellte klar fest, dass Nibbāna existiert. Siehe Nibbāna existiert, aber nicht in dieser Welt sowie Paṭhama Nibbāna Paṭisaṃyutta Sutta (Ud 8.1).
- Obwohl es ein „Selbst mit Gati“ gibt, bis man Nibbāna erreicht, ist dies KEIN „permanentes Selbst“ wie man sich eine Seele vorstellt. Siehe Yamaka Sutta (SN 22.85) – Arahantschaft bedeutet nicht Vernichtung, sondern Ende des Leidens.
2. Dieses tiefere Konzept muss man langsam durchdringen. Zunächst sei gesagt, dass es nicht nötig ist, Angst vor Nibbana zu haben.
- Die folgenden Kommentare stammen aus Online-Foren. Sie sind repräsentativ für viele Kommentare und sollen daher besprochen werden.
Erster Mythos – Angst vor dem „Verschwinden“ oder „Aussterben“, gleichgesetzt mit Nibbāna
3. Das Folgende sind Auszüge aus den Kommentaren von Person 1.
- „Ich habe vor weniger als drei Jahren begonnen, den buddhistischen Weg zu gehen. Zu dieser Zeit fühlte sich das Leben zu schwer an und es fühlte sich an, als würde es mich dazu bringen, das Spiel nicht mehr spielen zu wollen. Der Buddhismus schien also der richtige Weg zu sein. Ich kann nicht vergessen, wie ich zum ersten Mal auf die Idee kam, für immer aus dieser Existenz zu verschwinden, der wahre Tod. Ich kann nie wieder zurückkommen, wenn ich Nibbana vollendet habe. Trotzdem habe ich weiter nachgeforscht. … Dann dachte ich darüber nach, darin gefangen zu sein. Existenz hat keinen Ausweg, wo immer du hingehst, gibt es immer noch Existenz. Mit anderen Worten: ‚Was ist, wenn es seit Millionen, Milliarden von Jahren, vielleicht sogar für die Ewigkeit, so ist?‘ … Aber wenn Erleuchtung die einzige Flucht ist, habe ich Angst, niemals zurückkehren zu können. Ich fürchte, alles ist nur eine Illusion, dass es keine anderen gibt, nur Bilder und ich bin allein. Manchmal fürchte ich, es gibt nicht einmal Erleuchtung, um mich zu retten. Meine Frage ist: ‚Werde ich verrückt? Verstehe ich alles falsch?'“
Es gibt diejenigen, die „Existenz beenden“ wollen
4. Denken Sie zunächst an die Denkweise von Selbstmördern. Warum wollen diese Mensche die Welt verlassen? Die meisten von ihnen glauben wahrscheinlich nicht an Wiedergeburt. Sie wollen einfach raus, weil sie das Leiden nicht länger ertragen können.
- Tatsächlich ist dies die Denkweise der Lebewesen in den Apāyā. Sie wollen einfach „alles beenden“. Aber egal wie sehr sie „raus wollen“, es wird nicht geschehen. Der folgende Vers aus der Dhammacakkappavattana Sutta (SN 56.11) gibt ein gutes Beispiel: „yampicchaṃ na labhati tampi dukkhaṃ“ bzw. „nicht zu bekommen, was man wünscht (icchā), ist Leiden“.
- In der Saccavibhaṅga Sutta (MN 141) erklärt Sariputta die Bedeutung dieses Verses: “Katamañcāvuso, yampicchaṃ na labhati tampi dukkhaṃ? Jātidhammānaṃ, āvuso, sattānaṃ evaṃ icchā uppajjati: ‘aho vata mayaṃ na jātidhammā assāma; na ca vata no jāti āgaccheyyā’ti. Na kho panetaṃ icchāya pattabbaṃ.“
- Übersetzt: „In einem Lebewesen, das (einigen) Geburten unterworfen ist, entsteht der Wunsch: ‚Oh, möge ich nicht einer solchen Geburt unterworfen sein und möge diese Geburt nicht zu mir kommen.‘ Aber ein solches Verlangen wird nicht erfüllt (und somit wird man leiden)“
5. Hat man körperliche Schmerzen oder geistigen Stress, wünscht man sich, es möge einfach verschwinden. Menschen interessieren sich ggf. für Buddhismus, wenn sie das Leiden deutlicher spüren.
- Sie können sich natürlich von einigen Problemen befreien, indem sie ein einfaches Leben führen und auf unmoralische Taten verzichten. Aber dann lesen sie über Nibbāna als „Ende der eigenen Existenz“ und flippen aus. Das ist Person 1 passiert.
Das Leben in „guten Reichen“ ist von kurzer Dauer
6. Wir erkennen normalerweise nur wenig vom Leiden, was andere Lebewesen erfahren. Natürlich sehen wir auch nur das Tierreich und das Menschenreich. Selbst dann widmen wir dem Leiden der Tiere nicht viel Aufmerksamkeit. Tatsächlich sind wir darauf konditioniert, das Leiden nicht zu sehen und stattdessen erhofften Genüssen hinterher zu jagen.
- Zum Beispiel sehen Menschen Dokumentationen über Tiere, wo bspw. ein Löwe eine Gazelle jagt und lebendig frisst. Die Angler unter uns sehen nicht das Leiden eines Fisches, der qualvoll stirbt. Im Gegensatz zu einigen Tieren können Fische keine Emotionen zeigen, was ein Teil ihres Kamma Vipāka ist. Auf der anderen Seite können wir deutlich sehen, dass Tiere Gefühle haben und Leiden entweder durch Schreien oder Gesichtsausdruck zeigen. Alle diese Tiere waren irgendwann im Wiedergeburtsprozess Menschen!
7. Das Leiden in den anderen drei Reichen der Apāyā ist auch erschreckend. Das alles sind Geburten (jāti), die wir sicher nicht wollen.
- Doch solche Geburten kann man nicht vermeiden, solange man an Samsara gebunden ist. Und solche Geburten sind viel wahrscheinlicher als Geburten im Menschenreich, schon allein basierend auf Statistiken, die wir überprüfen können.
- Zum Beispiel gibt es weniger als 8 Milliarden Menschen auf der Erde. Aber es gibt eine Million Mal mehr Ameisen auf der Erde! Es gibt 1 Billion Arten von Lebensformen auf der Erde. Siehe Die größte Studie über Lebensformen hat geschätzt, dass auf der Erde 1 Billion Arten beheimatet sind. Das sind umwerfende Zahlen! Dazu zählen natürlich nicht die anderen drei Reiche der Apāyā.
- Deshalb sagte der Buddha, dass ein Menschen-Bhava SEHR selten ist. Alle „Freuden“, die wir als Mensch erleben, sind von SEHR KURZER Dauer. Das Leiden, was der Buddha meinte, war das endlose Leiden im Wiedergeburtsprozess, wobei ein Lebewesen sehr viel Zeit in den Apāyā verbringt.
- Schauen wir nun auf das Thema „Angst vor Nichtexistenz in dieser Welt“.
Wir sind „praktisch nicht existent“ während mindestens eines Drittels vom Tag
8. Auch wenn wir das Auslöschen unserer Existenz fürchten, sind wir uns unserer „Existenz“ im Schlaf nicht bewusst. Wir sind im Schlaf nicht bei Bewusstsein, besonders im Tiefschlaf. Während wir schlafen sind wir uns unserer Existenz in dieser Welt nicht bewusst.
- Wir denken normalerweise nicht darüber nach. Aber ich wurde mir dieser Tatsache sehr bewusst, als ich während meiner Gehirnoperation über 9 Stunden lang bewusstlos war. Ich erinnere mich, dass ich nach der Injektion des Schlafmittels das Bewusstsein verlor. Als nächstes nahm ich das Aufwachen von diesem Zustand der Bewusstlosigkeit war, aber eben 9 Stunden später. Während wir bewusstlos sind oder tief schlafen, sind wir (effektiv) „nicht in dieser Welt“.
- Wenn ein Arahant stirbt, wird er/sie für immer wie in einem solchen „unbewussten Zustand“ sein, soweit es diese Welt betrifft. Aber er/sie ist dann mit Nibbāna verschmolzen. Nur können wir das nicht mit den Konzepten dieser Welt erklären (rupa, citta, cetasika).
- Es gibt keine Überschneidung zwischen „dieser Welt der 31 Reiche“ und Nibbāna. Sie schließen sich gegenseitig aus. Man ist entweder „in dieser Welt“ oder „in Parinibbāna„. Weder der Buddha oder ein verstorbener Arahant ist in dieser Welt zu finden. Da alle Ursachen für Geburt und Tod mit dem Entfernen von Avijjā gestoppt sind, wird Nibbāna auch als „totloser“ bzw. „unsterblicher Zustand“ bezeichnet.
Kommentare von Person 2
9. Der zweite Kommentar stammt von Person 2. Einige ausgewählten Teile sind hier aufgeführt.
- „..Ich habe gestern meditiert und hatte diese seltsame „Erfahrung“. Es macht mich total verrückt, weil es so war, als wäre ich nicht mehr da. Nach dieser Erfahrung habe ich nur noch Angst. Es fühlte sich gestern sehr schön für mich an, aber im Moment flippe ich aus irgendeinem Grund aus. Meine Gedanken rasen und sagen: ‚Ich will nicht sterben‘. Ich bin in einer existenziellen Krise. … Ich wünschte, ich hätte nie diese Meditations- oder Bewusstseinsarbeit angefangen, weil es mich denken lässt, dass ich mich täuschen kann, ich würde leben, bin aber eigentlich immer tot oder war nur eine leere Hülle. Ich fühle mich verrückt. Ich fühle nur eine Welle der Negativität. … Ich weiß, dass die Art und Weise, wie ich es formuliere, albern ist, aber ich bin nun neugierig auf Menschen, die vollständig erleuchtet sind (wenn so etwas zu 100% möglich ist). Sind diese Leute wie sprechende Leichen? Worte kommen aus ihrem Mund und es sieht so aus, als ob sie leben, aber eigentlich sind sie tot.“
Kann man beim Meditieren die Wahrnehmung verlieren?
10. Der erste Teil des Kommentars von Person 2 betrifft die Meditation. Das war ein „wahrnehmungsloser meditativer Zustand“ bzw. asañña samādhi.
- Ein solcher Zustand wird erreicht, indem man sich darauf konzentriert, ALLE Gedanken loszuwerden. Das ist KEINE buddhistische Meditation. In der buddhistischen Meditation stoppt man NUR Gedanken, die unmoralisch sind. Man pflegt hingegen gute und moralische Gedanken.
- Wer eine solche Anariya-Meditation kultiviert, kann im Asañña-Reich wiedergeboren werden. Dieses Reich bedeutet eine sehr lange Lebensdauer und es entstehen keine Gedanken. Es ist, als wäre man eine Milliarde Jahre lang bewusstlos! Natürlich wird dieses Leben auch enden und man wird zurückkommen in ein anderes Reich.
Ist ein Arahant ein Zombie?
11. Schauen wir nun auf den zweiten hervorgehobenen Kommentar von Person 2. Ein Arahant verliert nicht die Wahrnehmung. Er/sie erlebt die Außenwelt wie jeder andere auch.
- Der einzige Unterschied ist, dass ein lebender Arahant KEINE gierigen, hasserfüllten oder unklugen Gedanken generiert. Aber ein Arahant erkennt seine Eltern, Freunde und andere Objekte. Er/sie erlebt die Süße von Zucker oder die Bitterkeit von Essig.
Nibbāna ist Flucht vor dem Leiden – zwei Arten von Nibbāna
12. Das singhalesische Wort für Nibbāna ist Nivana oder Niveema (නිවන / නිවීම.). Das bedeutet „Abkühlung“.
- Ādittapariyāya Sutta (SN 35.28) zeigt einen frühen Diskurs des Buddha. In dieser Sutta sagte der Buddha, dass die Welt brennt. Das bedeutet, dass der Geist eines jeden, der die Welt als gut und fruchtbar betrachtet, immer „brennt“ oder „unter Stress“ steht. Dieser Stress verschwindet in der ersten Phase von Nibbāna (saupādisesa Nibbaba), die ein lebender Arahant erlebt.
- Ein lebender Arahant hat jedoch einen physischen Körper, der aufgrund des vergangenen Kamma entstanden ist. Dieser Körper kann schlechtes Kamma Vipāka aus der Vergangenheit erfahren. Nach dem Tod des physischen Körpers wird ein Arahant nicht wiedergeboren und das ist das Ende jeglichen Leidens, anupādisesa Nibbāna bzw. Parinibbāna (volles Nibbāna).
- Angst vor Nibbana kann man nur so lange haben, bis man Panna Cetasika (Weisheit) weit genug kultiviert hat. Dann verschwindet ängstliches Vedana bzgl. Nibbana. Als Arahant hat man letztlich jede Angst überwunden.